Verico Target
jene Sorte von Frage,
auf die ein Agent fast nie eine Antwort bekam.
Cavanaugh wollte das hier haben! Er konnte es auf der Zunge
schmecken, wie sehr er es wollte.
Felders lächelte matt. »Ich danke Ihnen, Jeremy. Agent
Cavanaugh wird diese Angelegenheit übernehmen. Ich bin Ihnen
zutiefst verbunden für Ihre Zusammenarbeit bei der Durchsicht
des Vorberichtes.«
»Nichts zu danken«, sagte Deming und merkte nicht
einmal, daß Felders ihn auf den Arm nahm. Mein Gott, der Mann
war gut!
Als Deming gegangen war, sah Felders Cavanaugh an. »Also, es
gehört ganz Ihnen. Springen Sie runter zur Ausgabe und holen Sie
sich Ihre Bons. Am besten fliegen Sie erst mal nach Boston und reden
mit Benjamin Kozinski.«
»Mach ich«, sagte Cavanaugh. »Ich werde einen Flug
am späten Nachmittag nehmen. Habe noch einen Haufen Papierkram
zu“ erledigen, der liegenblieb, als ich nach Vegas
mußte.«
»Heute nachmittag, gut.« Felders nickte. »Nur
keinen Übereifer zeigen, sonst heißt es noch: auf die
Rechtsakademie mit Ihnen!«
»Sehr lustig.«
»Etwa nicht? Ich sehe Sie direkt vor mir, den guten alten
pessimistischen Bob, der jammert, daß schon wieder die Maschine
des Gerichtsstenographen kaputtgegangen ist.«
»Marty – was will die Sippschaft mit einer Biotechfirma?
Das paßt doch überhaupt nicht ins Bild!«
»Gelinde ausgedrückt. Ich habe auch keine Ahnung, was
sie mit Verico anfangen wollen. Aber das ist es ja, was Sie
herausfinden sollen.«
»Danke, Marty. Für die Chance.«
Das Telephon klingelte. Froh über die knappe Rettung vor
Cavanaughs Dankbarkeit hob Felders ab. Er hörte konzentriert zu,
und sein Lächeln verschwand.
»Gut«, sagte er, »okay«, und legte auf.
In Gedanken versunken saß er da, und Cavanaugh unterbrach
ihn nicht dabei.
»Hören Sie, Bob, Sie müssen doch sofort aufbrechen.
Ich sorge dafür, daß Carol sich telefonisch um Ihr Ticket
kümmert, während Sie zum Flughafen fahren, und Sie dort
ausrufen läßt. Die Situation hat sich grundlegend
verändert.«
Cavanaugh wartete.
»Benjamin Kozinski ist tot.«
Auf dem Flughafen Dulles schritt er direkt zum Zeitungsstand, noch
ehe er sein Ticket in der Tasche hatte. Reihen um Reihen von
Zeitschriften waren dort ausgestellt, viel mehr als nur das
Übliche, wie Time und Playboy. Er blätterte
den Scientific American durch. Nichts. Dann Science Update. Wieder nichts. War rekombinante DNA momentan nicht angeblich
eines der heißesten Themen überhaupt? Wieso schrieb kein
Mensch etwas darüber?
Dann fiel ihm ein, daß Dienstag war; dienstags enthielt die New York Times immer einen wissenschaftlichen Teil. Cavanaugh
kaufte die Zeitung und blätterte sie durch. Er hatte Glück.
Ein großer Artikel über Gentherapie, geschrieben für
wissenschaftliche Ignoranten jeglicher Art.
Als nächstes zum Copy-Shop. Normalerweise hatten sie dort
auch Faxmaschinen. Er hatte es schon bei der Maschine in der
Abteilung versucht, aber klarerweise war die noch nicht repariert
worden. Das Copy-Shop hingegen, mit dem Ziel, Geld zu verdienen,
statt es auszugeben, achtete natürlich darauf, daß seine
Maschinen auch funktionierten.
»Ich möchte das hier faxen«, sagte er zu der jungen
Angestellten, deren Frisur breiter war als ihre Schultern.
»Das?« fragte sie zweifelnd.
»Ja. Das.«
»Ist das da die Vorwahl?«
»Ja, das ist sie. Sonst hätte ich eine andere Vorwahl
draufgeschrieben.«
»Bloß diese eine Seite?«
»Eine Seite«, bestätigte er und nickte.
»Inspiration ist eine knausrige Dame.«
Sie sah ihn nicht an, als sie das Blatt einlegte.
Er hatte die Betrachtung auf dem Flug von Las Vegas
niedergeschrieben – in violetter Tinte auf der Rückseite
des papierenen Untersatzes vom Essenstablett:
Die Straßen, Felder und Flüsse da unten bilden
Linien. Er wendet sich den Linien zu, entbietet ihnen seinen
Gruß, verändert sie. Sie werden gerader, deutlicher,
ordentlicher: Richtung wird zu Tugend, Distanz zu Gnade.
Doch letzten Endes hat sie recht. Sie hatte immer schon recht.
Den veränderten Linien fehlt etwas. Er konzentriert sich auf
sie, zwingt sie durch seine Willenskraft, sich voneinander zu
lösen und neu zu verbinden. Und langsam tun sie es. Sie formen
einen Sperling, dessen Kopf sich in einen Fluß senkt, dessen
Flügel tastend nach dem Flug suchen.
Es ist der Sperling des Euklid, denkt er und erkennt, daß
ein solcher Vogel eine großartigere Geometrie verdient.
Die Notiz surrte durch das Faxgerät und machte sich auf
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