Verico Target
den
elektronischen Weg zu Marcys Büro.
Aber das war alles, was er tun konnte. Und vielleicht würde
es helfen, vielleicht würde Marcy es lesen und sich daran
erinnern, welche Gefühle sie ihm einst entgegengebracht hatte,
damals, als solche kurzen brieflichen Gedanken einen Teil ihres
gemeinsamen Lebens gebildet hatten. Vielleicht.
»Zwei Dollar, Sir«, sagte das Mädchen.
Cavanaugh bezahlte und ging zum Schalter, um seine Tickets
für Boston abzuholen.
Im Flugzeug entfaltete er die New York Times und las den
Artikel über Gentherapie. Er las ihn langsam und Teile davon ein
zweitesmal, wenn er etwas nicht ganz verstand; dazu pendelte er
zwischen dem Text und einem sehr hilfreichen Diagramm.
Gentherapie bestand nicht darin, die Gene in den Zellen eines
Kranken zu verändern, wie er fälschlich angenommen hatte.
Dafür besaß der menschliche Körper zu viele Zellen
– etwa zehntausend Milliarden –, und in jeder Zelle
befanden sich über hunderttausend Gene. Nein, die Gentherapie
wurde bei Krankheiten eingesetzt, bei denen der Körper gewisse
Proteine nicht ausreichend selbst erzeugte oder das Protein nicht
korrekt produzierte oder es überhaupt nicht produzierte. Bei
Diabetes etwa funktionierten die Proteine nicht, die für die
Insulinerzeugung verantwortlich waren. Bei einer Krankheit namens
›Schwerer kombinierter Immundefekt‹ produzierte der
Körper das Protein Adenosindesaminase (ADA) nicht, und das
brauchte er für den Kampf gegen andere Krankheiten.
Bei der Gentherapie wurden nun, wenn Cavanaugh recht verstanden
hatte, neue Zellen in den Körper eingeschleust, die in der Lage
waren, die fehlenden Proteine zu fabrizieren. Diese Zellen wurden mit
einer Spritze injiziert, genau wie manche Medikamente. Im Körper
angelangt, machten sich die neuen Zellen augenblicklich daran, das
benötigte Protein herzustellen, sowie sich zu reproduzieren.
Der schwierigste Teil bei der Therapie, schloß Cavanaugh aus
dem Artikel, war die Herstellung dieser neuen Zellen. Die
Wissenschaftler begannen mit einem Virus. Sie entfernten einen Teil
der viruseigenen Gene und ersetzten ihn durch neue Gene, welche die
Produktion des benötigten Proteins in Gang brachten. Das
Material, das aus dem Virus entfernt wurde, bestand zum Teil aus
jenen Genen, die dem Virus gestatteten, seine eigenen Proteine
hervorzubringen, von denen die meisten ohnedies den menschlichen
Körper schädigten. Die veränderten Viren –
›Vektoren‹ genannt – dienten hingegen nur noch als
Transportmittel, um die erwünschten neuen Gene in die
Körperzellen einzubringen.
»Wünschen Sie ein Getränk, Sir?« fragte der
Flugbegleiter.
»Kaffee, bitte.« Cavanaugh fragte sich, ob man Kaffee
als Vektor betrachten konnte, mit dem man Koffein in seine
Körperzellen einbrachte. Wahrscheinlich nicht. Er kehrte zu dem
Artikel in der Times zurück.
Die Vektoren drangen also direkt in die Zellen des Patienten ein,
fügten die neuen Gene in das alte Genmaterial ein, und dann
wurde das Virus abgebaut. Jedes Mal, wenn die Zelle sich teilte und
damit reproduzierte, teilten und reproduzierten sich die neuen Gene
zusammen mit den alten. Und alle Kopien der neuen Gene fuhren fort,
das benötigte Protein zu erzeugen und die Krankheit zu
heilen.
Wie wenn man in einer von Mäusen heimgesuchten Scheune Katzen
züchtet, dachte er. Nicht lange, und das Mäuseproblem war
erledigt.
Bislang funktionierte die Sache nur bei einigen wenigen
Krankheiten, nämlich dort, wo es den Forschern gelungen war
herauszufinden, wo die richtigen Gene saßen, wie man sie in
Viren einschleuste und ob das einzelne Protein, das sie erzeugten,
tatsächlich ausreichte, um mit der Krankheit fertigzuwerden. Die
Informationen auf diesem Gebiet, schloß Cavanaugh, waren
offenbar noch recht spärlich, denn es handelte sich um ein
neues, experimentelles Gebiet und keineswegs um eine sichere Sache.
Es gab enorm viele Fragen, enorme ungelöste Schwierigkeiten und
jeden Tag enorme Rückschläge.
Ungewiß, bestenfalls.
Nicht von Haus aus ein lukrativer oder sicherer Tip für
Investitionen. Noch nicht. Und vielleicht nie.
Und nicht die Art von Geschäft, auf die sich das Syndikat
einließ. Oder etwa doch? Gerade jetzt kam eine neue Generation
an die Macht, die von ihren Altvorderen gern als allzu
verstädtert, allzu überheblich eingestuft wurde. Die alten
Männer an der Spitze verlegten sich daher zusehends auf den
illegalen Import ihrer Großneffen oder Vettern vierten Grades
aus Sizilien, die immer
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