Verico Target
Familie. Nichtsdestoweniger sehe ich mich gezwungen, Sie auf
die Entwicklung einer ernsten, möglicherweise gefährlichen
Situation bei Verico, Inc. einem kommerziellen Unternehmen des
Bereiches Biotechnik in Elizabeth, N.J. hinzuweisen. Die
Forschungsarbeit bei Verico geht in eine beängstigende Richtung
– ein Umstand, der durch die Verbindungen der Firma zum
organisierten Verbrechen noch gesteigert wird. Eine
Überprüfung der Forschungstätigkeit sowie des
Personals wäre dem FBI dringendst zu empfehlen.
Zielführend wäre gewiß auch die Kontaktaufnahme mit
jenen Personen, die Verico gegenwärtig anzuwerben versucht. Es
ist mir bekannt, daß man bei der Konferenz der Mikrobiologen in
Las Vegas zu diesem Zweck an Doktor Benjamin Kozinski herantreten
wird.
»Keine Fingerabdrücke«, ergänzte Felders.
»Hewlett-Packard-Drucker, Standardpapier Marke Copy-Master und
Mead-Umschlag, Poststempel Denver, könnte aber an jedem Ort der
Vereinigten Staaten geschrieben worden sein. Adressiert an Duffy,
korrekter Name, korrekter Titel.«
»Liest sich nicht wie die Ausdrucksweise des klassischen
Durchschnittsspinners«, stellte Cavanaugh fest. »Ein
ungehaltener Ex-Angestellter?«
»Niemand ist von Verico weggegangen. Seit zwei Jahren. Aber
unsere Wissenschaftsexpertin hat mir gesagt, daß das bei einer
Biotechfirma nicht ungewöhnlich ist. Sie suchen sich ihr
Personal sorgfältig aus, zahlen gut und halten die Belegschaft
zahlenmäßig gering, um Kommunikationsschwierigkeiten zu
vermeiden. Die Leute bleiben gern.«
»Sie haben schon einen Berater für die wissenschaftliche
Seite der Sache?«
»Hab’s ihr kurz vorgelegt. Sie ist nicht mehr und nicht
weniger: eine Beraterin, keine Ermittlungsbeamtin.«
»Und was ist mit dem anderen Punkt, von dem wir
sprachen?«
Felders begann, im Büro auf und ab zu laufen, wobei er mit
den Geldmünzen in seiner Tasche spielte. Cavanaugh war daran
gewöhnt – Deming, nach seinem Gesichtsausdruck zu urteilen,
nicht. Drüben im Justizministerium hatte man wohl weniger
Bewegungsdrang.
»Gestern habe ich die Flugtickets von der
Mikrobiologenkonferenz überprüfen lassen. Doktor Kozinski,
der, nebenbei bemerkt, eine große Leuchte der Genforschung am
M.I.T. ist, hat vor zwei Tagen seine Reservierung umbuchen lassen.
Statt zusammen mit seiner Frau nach Hause zurückzukehren, flog
er nach Newark und erst am nächsten Tag nach Boston. In der
Maschine von Vegas nach Newark befand sich auch Doktor Eric Stevens.
Und zwar am Nebensitz. Die Hintergrundinformationen über
Kozinski beginnen auf Seite zweiundsechzig. Erstklassiger Ruf auf
seinem Fachgebiet, aber einer von der arroganten Sorte, wie es
scheint. Anzunehmen, daß er unter normalen Umständen einem
mittelmäßigen Typen wie Stevens nicht mal sagt, wie
spät es ist.«
»Das habe ich nicht gewußt!« platzte Deming
hervor, so verblüfft, daß ihm ein kurzer, simpler Satz
entfuhr. Felders belohnte ihn mit einem Lächeln.
Cavanaugh überlegte. Das alles war nicht wirklich ein Fall,
eher eine Ansammlung von Sachverhalten. Deming hoffte, es würde
mehr daraus werden, weil er sich das wünschte. Dasselbe traf auf
Cavanaugh zu. Er hatte genug von Überwachungen; er wollte einen
Fall.
Und so sah die Art von ›Fall‹ aus, mit denen er
würde anfangen müssen. Auch wenn es nicht angenehm war,
sich auf einer Ebene mit Deming zu wissen. Cavanaugh war ohnedies
schon spät dran mit dem Anfangen; in ein paar Monaten wurde er
dreißig.
Aber er war – oder wäre – ein guter Agent. Das wußte er. Er wußte, was für erfolgreiche
Recherchen unumgänglich war: eine gewisse ordinäre,
zähe Verbissenheit. Cavanaugh wußte auch, daß er
über diese Qualitäten verfügte, weil Marcy, seine
baldige Exfrau, ihm das gesagt hatte. Oft.
»Jeremy, wie sehr ist man auf Seiten der Justiz daran
interessiert, das hier weiterzuverfolgen?« fragte Felders.
Deming blickte Felders hart ins Auge. »Ich habe die
Ermächtigung, hier zu sein. Wie man sieht.«
Was Cavanaugh rein gar nichts sagte. Glaubte man im
Justizministerium tatsächlich, daß dieser Ableger des
spektakulärsten VVO-Falles des Jahres zu eigener Bedeutung
kommen konnte? Oder wollte man dort nur die letzten losen Enden
verknüpfen? Deming konnte es ihm und Felders nicht sagen, denn
Deming würde es nicht wissen. Aber Duffy hatte den
Vorbericht formell genehmigt. Weil es sich um einen echten
›Fall‹ handelte oder weil er irgend jemandem einen
politischen Gefallen damit tun wollte? Das war
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