Verico Target
Ein
Mörder? Er hatte Fehler gemacht, und das tat ihm leid, und er
würde diese Fehler nie mehr machen. Er bemühte sich,
ordentlich zu sein, und selbst Mrs. Weiss, dieses ekelhafte
Weibsbild, hatte bestätigt, daß er sich bemühte.
»Das war ein großer Fortschritt gegenüber dem letzten
Mal, Mister Botts.«
Ein großer Fortschritt. Als ob sie das Recht hätte, ihn
zu beurteilen. Er war jetzt ein guter Vater, ein fürsorglicher
Vater für Penny und David, und hatte ein Recht, mit ihnen
zusammen zu sein. Sie gehörten ihm. Blut von seinem Blut,
Fleisch von seinem Fleisch.
David hatte den Bulldozer mitgenommen.
Penny war schließlich damit einverstanden, daß ihr
Vater die Püppchen zum Schlafen in ihre Plastikbetten legte.
Er brauchte einen Drink.
Um auf andere Gedanken zu kommen, ruckte er auf dem Boden zum
Fernseher und stellte ihn an. Vier Uhr nachmittag an einem Sonntag,
vielleicht gab’s ein Vorsaisonspiel. Aber alles, was er fand,
waren Wiederholungen von Schwarzweißfilmen und eine Sendung, in
der irgendein Typ erklärte, wie man wieder zu trockenen Mauern
kam.
Und dann stieß er auf eine Nachrichtensendung. Wendell
rutschte auf dem Hintern zurück zum Bett und lehnte sich an eine
andere Stelle, wo sich kein Metallteil in sein Rückgrat bohrte.
Irgend jemand interviewte eine Senatorin. Sie trug ein rotes
Kostüm mit einem schmalen, goldenen Schal. Wendell schnaubte
verächtlich. Wieso sah man nie einen männlichen Senator in
Rot und Gold? Weil die wußten, was sich im Senat der
Vereinigten Staaten gehörte! »Wie in allen Gemeinden der
Heiligen, lasset eure Weiber schweigen in der Gemeinde; denn es ist
ihnen nicht gestattet zu reden, sondern Untertan sollen sie sein, wie
auch das Gesetz sagt.« Paulus an die Korinther. O ja, an den
Vers erinnerte Wendell sich. Zu dumm, daß er nicht daran
gedacht hatte, ihn Mrs. Weiss zu zitieren.
»Und was genau stört Sie an der Entscheidung des
Obersten Gerichts, Frau Senatorin Doan?«
Die Kamera fuhr auf die Senatorin zu. Wiederum schnaubte Wendell.
Meine Güte, wie nötig er jetzt einen Drink haben
würde!
»Wenn wir zulassen, daß durch öffentliche Gelder
unterhaltene Institutionen – wie etwa Schulen – von
religiösen Gruppen beherrscht werden, dann eliminieren wir diese
so wichtige Trennung zwischen Kirche und Staat. Die
Gründerväter unseres Landes hielten diese Trennung für
wesentlich, weil…«
Das ewiggleiche Blabla. Wendell hätte es gern abgeschaltet,
aber er war zu zerschlagen, um sich zu bewegen. Kinder setzten einem
ganz schön zu. Nein, das war’s gar nicht. Es lag daran,
daß er letzte Nacht schlecht geschlafen hatte. Zu nervös
gewesen wegen heute nachmittag. Und dann gestern abend, bei der
Zusammenkunft der Anonymen Alkoholiker, als der alte Furz einfach
nicht aufhörte mit der abgestandenen Leier über sein Leben
und wie er es niemals geschafft hätte, die Zügel
herumzureißen ohne die Hilfe einer höheren Macht… Das
war das schlimmste an den A.A. – dieses unentwegte Gerede
über eine höhere Macht. Wenn die Typen sehen könnten,
was diese höhere Macht bei den Streitern des göttlichen
Bundes anrichtete, indem sie einem Mann seine Kinder vorenthielt und
seine Ehefrau gegen ihn aufhetzte, bloß weil er nicht mehr
daran glaubte, daß ein toter Heiliger nach tausend Jahren von
den Toten auferweckt wurde, nur damit er noch mal sterben konnte, um
einen heiligen Bund zu verwirklichen… Die ganze Schuld lag
einzig und allein bei den Streitern des göttlichen Bundes.
Gäbe es die nicht, würde Saralinda zu ihm
zurückkommen; sie hatte nicht die Härte, ihm ganz allein
standzuhalten. Sie würde zurückkommen, und Wendell
hätte seine Kinder immerzu bei sich, so wie es einem Vater
zukam, und nicht nur zwei lausige Stunden jeden zweiten Sonntag
– noch dazu mit der verdammten Fürsorgerin, die ihn keinen
Moment aus den Augen ließ. Das alles war ganz allein die Schuld
des Bundes.
»…tief beunruhigt vom kontinuierlichen Einsickern
religiöser Aspekte ins öffentliche Leben, wodurch es zu
einer steten Steigerung von Intoleranz anderen gegenüber kommt.
Wenn jemand glaubt, den einzig wahren Weg des Glaubens gefunden zu
haben, dann hat er selbstverständlich jedes Recht, diesem
Glauben zu folgen; ganz gewiß aber darf es zu keinem
Aufdrängen, wie unterschwellig auch immer dies geschehen
mag…«
Was, zum Geier, wußte die da in ihrem roten Kostüm und
dem dummen goldenen Schal schon von Intoleranz? Intoleranz, das
hieß, seinen Kindern
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