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Verico Target

Verico Target

Titel: Verico Target Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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leicht. Außerdem hatte sie
schwarze Schuhe mit hohen Hacken und schwarze Strümpfe. Judy
biß die Zähne zusammen, zog sich aus und schlüpfte in
das Kleid.
    Sie erschrak, als sie merkte, wie es an ihr herabhing. Hatte sie so viel abgenommen? Sie suchte im Koffer herum, bis sie auf
einen Ledergürtel stieß, der unglücklicherweise braun
war. Mit der Nagelschere bohrte sie ein neues Loch, damit er
paßte. Um die Taille warf das Kleid unmotivierte Falten, aber
damit mußte sie leben.
    Sie hatte nicht mehr viel Zeit übrig, um sich am Waschtisch
und vor dem Spiegel mit ihrem Gesicht zu beschäftigen. So
klatschte sie sich nur ein wenig kaltes Wasser auf die Augenpartie,
putzte sich die Zähne, fuhr mit dem Kamm durchs Haar und legte
ein wenig Rouge und Lippenstift auf. Besser. Obwohl sie immer noch
aussah, als hätte sie soeben einen Totalschaden überlebt.
Wobei die alte Parka über dem schwarzen Strickkleid nicht
unbedingt von Vorteil war.
    Im Zug nach New Jersey, der um diese Tageszeit nahezu leer war,
öffnete sie den Koffer noch einmal. Sie holte kleine goldene
Ohrringe heraus und ein rotes Baumwolltuch, das sie sich um die
Schultern band.
    Auf dem Bahnhof von Elizabeth suchte sie die Adresse von Verico
aus dem Telefonbuch und nahm ein Taxi; ihr Herz klopfte, und sie
hatte ein komisches Gefühl in ihrem leeren Magen. Was zumindest
hieß, daß sie noch am Leben war.
     
    Es sah nach nichts Besonderem aus. Ein weitläufiges,
niedriges, weißes Steingebäude. Ein kleiner Parkplatz. Ein
paar Nebengebäude für einen Zusatzgenerator und
Wartungsgeräte. Das wenig aufregende Ganze umgeben von einem
Zaun aus Maschendraht. Judy sah sich den Zaun genauer an; ja, sie
konnte den Sensordraht sehen – unauffälliger und subtiler
als elektrische Zäune.
    Am Haupteingang befand sich eine Gegensprechanlage. Vermutlich
auch irgendwo eine Überwachungskamera, aber die konnte Judy
nicht ausmachen. Sie drückte auf den Knopf.
    »Ja?« Eine Männerstimme, unpersönlich und sehr
klar. Die technische Seite legte Wert auf Qualität.
    »Ich habe einen Termin bei Doktor Eric Stevens. Mein Name ist
Mrs. Benjamin Kozinski.«
    »Ich habe keinen Termin für Sie eingetragen, Mrs.
Kozinski.«
    Nicht die leiseste Andeutung, daß er ihren Namen
wiedererkannt hatte. Aber vermutlich kannte er ihn wirklich nicht.
Mit fester Stimme sagte sie: »Doktor Stevens wird mich
empfangen. Bitte teilen Sie ihm mit, daß ich hier
bin.«
    »Einen Moment.«
    Sie wartete, länger als einen Moment. Ein kalter Wind pfiff
über die Gegend, in der sich anscheinend hauptsächlich
Lagerhäuser und Fabriken befanden. Judy hatte die Parka im
wartenden Taxi zurückgelassen, um nicht auszusehen wie eine
Obdachlose, und das rote Tuch flatterte ihr um die Schultern. Sie
verschränkte die Arme dicht am Körper und begann zu
zittern.
    »Treten Sie bitte ein.« Das Tor schwang auf.
    Der schlecht geräumte Weg war rutschig, und sie fühlte
sich unsicher auf den hohen Absätzen. Arbeiteten hier denn keine
Frauen? Doch, aber keine mit hohen Absätzen. Weibliche
Wissenschaftler trugen vernünftiges Schuhwerk. Der Wachmann vor
dem Gebäude hielt ihr die Tür auf und ersuchte sie, sich
einzutragen. Dann reichte er ihr eine Anstecknadel mit der Aufschrift
BESUCHER und verriet mit keinem Wimpernschlag, daß er ihren
mantellosen, blaugefrorenen, gänsehäutigen Zustand
befremdlich fand.
    »Hier entlang bitte, Madam.« Sie hoffte, der Marsch
durch den weißen Korridor würde lang genug dauern, um sie
aufzuwärmen, ehe sie Stevens entgegentreten mußte.
    Er dauerte nicht lang genug. Stevens wartete in einem
eindrucksvollen Arbeitszimmer, das mit Bücherregalen
bestückt war und von einem riesigen Mahagonischreibtisch
beherrscht wurde. Kein einziges Reagenzglas in Sicht. Ben hatte ihr
verraten, daß Arbeitszimmer von Wissenschaftlern, die wie
dieses hier aussahen, auf drittklassige Wissenschaftler
schließen ließen, die weniger an der Forschung
interessiert waren als daran, Eindruck zu machen. Judy hatte damals
davon abgesehen, ihn darauf hinzuweisen, daß sein Arbeitszimmer
daheim genauso aussah wie dieses. Doch fairerweise mußte sie
zugeben, daß Bens Arbeitszimmer bei Whitehead ganz und gar
nicht so aussah.
    Ben…
    Stevens kam auf sie zu und streckte ihr beide Hände entgegen.
»Mrs. Kozinski…!«
    »Doktor Stevens.«
    »Wir waren entsetzt, als wir vom Tod Ihres Gatten erfuhren.
Ein unersetzlicher Verlust für die gesamte wissenschaftliche
Gemeinde.«
    »Vielen Dank.« So rasch, wie

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