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Verico Target

Verico Target

Titel: Verico Target Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nancy Kress
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wissen, wie sehr wir gewillt waren,
unsere ganzen Möglichkeiten aufzubieten, um ihn bei uns zu
haben. Anfangs schien er auch interessiert, aber dann, als er begann,
über seine eigene Arbeit am Whitehead zu sprechen – und
natürlich sind wir alle durchaus vertraut mit seinem Werk, in
Anbetracht dessen, wer er ist… war …«
    »Anfangs war er also interessiert«, brachte Judy hervor.
Keine Inkontinenz der Tränendrüsen, bitte lieber Gott!
Nicht jetzt!
    »Wie ich sagte, als er dann über seine bisherige Arbeit
zu sprechen begann, schien er erneut dafür Feuer zu fangen, wenn
Sie wissen, was ich meine. Ich glaube, in diesem Moment wußte
ich, daß er Whitehead nicht verlassen würde. Nicht«,
fügte er seidenweich hinzu, »seinen Mitarbeiterstab
dort.«
    Caroline Lampert. Sprachlos starrte Judy Stevens an. Hatte er von
Bens Affäre mit Caroline gewußt? Wußte denn die
ganze verdammte Welt der Genforschung davon? Wie lächerlich
stand sie eigentlich da? Die arme Judy, da geht das nun schon zwei
Jahre so, und sie ist absolut die einzige, die nichts davon
weiß… Wie ist das nur möglich? Vielleicht will sie es
gar nicht wissen. Wirklich bemitleidenswert…
    Sie riß sich zusammen. »Zweifellos war Ben mit seiner
Arbeit an den viralen Hüllproteinen sehr verwachsen. Er
wußte, welche Bedeutung diesen Forschungen zukam, und es
erstaunt mich nicht im geringsten, daß es ihm schwerfiel, sich
davon zu trennen. Sagen Sie, Doktor Stevens, war außer Ben noch
jemand zu einem Vorgespräch hier bei Ihnen? Bevor oder nachdem
Ben getötet wurde.«
    Zum erstenmal erschien ihr Stevens ein wenig irritiert. Er kniff
die Augen leicht zusammen. Fragte er sich gerade, wieviel Judy
wußte? Ben kannte einfach jeden in der Gemeinde der Genetiker,
und es wäre durchaus vorstellbar gewesen, daß er Judy mit
Leuten bekanntgemacht hatte, die untereinander den neuesten Klatsch
tauschten. Daß Ben das nicht getan hatte, weil es seinen
außerehelichen Verhältnissen zuträglicher war, seine
Frau aus diesen Kreisen fernzuhalten – das wußte Stevens
offensichtlich nicht mit Sicherheit.
    Er lächelte steif. »Ich fürchte, das sind Dinge,
die Verico vertraulich behandeln muß.«
    »Ach ja. Aber die Leute reden natürlich…«
    »Das ist ihr gutes Recht. Aber wir reden nicht über
unsere Kandidaten.« Er lächelte.
    Sie hatte einen Fehler gemacht – im Tonfall, in der Wortwahl,
irgendwo. Jedenfalls war er zu dem Schluß gekommen, daß
sie doch nichts von eventuellen anderen Interessenten für den
Job wußte.
    Aber was wußten die anderen Interessenten?
    »Es tut mir leid, wenn wir Ihnen bei der Frage, was Ihr Gatte
nun wirklich vorhatte, nicht weiterhelfen konnten, Mrs. Kozinski.
Kann ich sonst noch etwas für Sie tun?«
    »Nein, ich denke nicht.« Sie wußte, wann sie
verloren hatte. »Ich danke Ihnen für Ihre Zeit.«
    »Darf ich Ihnen noch einen Rundgang durch das Haus
anbieten?«
    Da der Vorschlag von ihm kam, gab es dabei gewiß nichts
Wesentliches zu sehen. Und doch war Ben völlig verändert
gewesen, als er von hier zurückkam. »Judy, die letzten
beiden Tage haben mir hart zugesetzt…«
    »Ö ja, sehr gern«, sagte sie.
    Der Rundgang dauerte fünfundvierzig Minuten, und Judy sah die
gleichen Dinge, die sie aus dem Whitehead-Institut kannte: Computer,
Labortiere, teure Apparaturen, gekühlte Kulturen und
ungekühlte Kulturen und Protokollbücher und genügend
Glasgefäße, um damit Äthiopien mit Wasser zu
versorgen. Stevens stellte sie jedem vor, dem sie begegneten. Alle
waren freundlich und mitfühlend. Wie schrecklich, die
Sache mit Ihrem Gatten… Was für ein enormer Verlust
für die Welt der Wissenschaft… Nur wenige der Frauen
schienen ihre Trauerkleidung mit dem absonderlichen braunen
Gürtel und dem roten Halstuch überhaupt zu bemerken.
    Das Taxi hatte nicht gewartet. Stevens sagte, der Wachmann am Tor
hätte es bezahlt, selbstverständlich nicht ohne zuvor ihre
Sachen zu verlangen. Er rief ein anderes Taxi, während er
liebenswürdig mit ihr plauderte und sie zu einer Tasse Kaffee
drängte. Tee vielleicht? Oder Kakao? Es war doch so kalt
draußen, es stand ihnen allen wohl ein sehr schneereicher
Winter ins Haus…
    Und so, dachte Judy, fühlte es sich also an, wenn man
haßerfüllt ist. Wenn man bis obenhin damit voll ist, so
voll, daß man beinahe daran erstickt und einem der Haß
die Speiseröhre hochsteigt und sie verstopft.
    Sie nahm das Taxi bis nach Manhattan, lehnte sich zurück und
schloß die Augen. Sie brauchte

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