Verico Target
oder die mit
ihrem hysterischen Getue die Behörden auf etwas aufmerksam
machen könnte, über das diese ansonsten nie gestolpert
wären. Und wenn man das bei Verico annimmt, dann könnte das
auch ihr Todesurteil sein. Annahme zwo: sie umzubringen ist zu
gefährlich, würde zuviel Aufsehen erregen. In diesem Fall
ignoriert man sie, läßt sie gehen und schiebt die
Anwerbung eines neuen Mannes auf. Annahme drei: man ignoriert sie
zwar, macht sich aber umgehend auf die Suche nach dem neuen Mann,
weil das wie auch immer geartete Projekt so kurz vor dem
Abschluß steht.«
»Und für welche Annahme haben Sie sich
entschieden?« fragte Felders.
»Ich vermute, daß sie die Kandidatensuche vorantreiben.
Es könnte sein, daß Stevens sich gedrängt fühlt,
denn er muß wissen, daß die Sippschaft keine lange Geduld
für etwas aufbringt, von dem sie so wenig versteht wie von
Biotechnik. In der Familie – und das trifft für jede
x-beliebige Mafiafamilie zu – gibt es sicher noch Capos von der
alten, konservativen Sorte: Schuster, bleib bei deinem Leisten –
in diesem Fall bei Glücksspiel, Drogen, Alkohol, beim
Transportgeschäft und bei den Gewerkschaften. Biotechnik
muß diesen Leuten ganz einfach verdächtig vorkommen –
zu intellektuell, zu esoterisch. Sie kennen die Sippschaft.«
Felders nickte mit gerunzelter Stirn.
»Was ich also brauche, ist ein Agent, der Judy Kozinski
bewacht und sie davon abhält, noch jemanden in Alarmzustand zu
versetzen. Dazu einen wirklich guten Analytiker, der mit Argusaugen
jede Bewegung in der Gemeinde der Gentechniker verfolgt. Der nicht
bloß Ausschau hält, wer wohin wechselt, sondern auch
danach, wer was veröffentlicht, um mögliche Parallelen zu
dem aufzuspüren, was Kozinskis Spezialgebiet war. Die Parallelen
mögen für uns Nichtwissenschaftier gar nicht erkennbar
sein, aber wenn wir eine Zielperson identifizieren können, bevor er oder sie kontaktiert wird, machen wir den ersten
Schritt und kontaktieren sie vorher.«
Felders nickte wieder. »Ist mir klar, was Sie meinen. Aber
hören Sie, Bob – Duffy sieht das nicht so.«
»Sie könnten ihn doch dazu bringen, daß er es so
sieht.«
Felders hörte auf, sich in seinem Sessel zu räkeln, und
setzte sich gerade auf. »Verdammt, Bob, ich weiß nicht
einmal, ob ich Duffy das ganze verkaufen will! Was Sie da
haben, ist solide Spekulation, aber eben nicht mehr als
Spekulation!«
»Das Cellini-Denisi-Band, auf dem Verico bereits vor Monaten
erwähnt wurde, ist keineswegs spekulativ. Ebensowenig wie eine
Leiche. Wir waren vorgewarnt, daß Kozinski zu Verico gehen
würde, und am nächsten Tag wird er von einem Profikiller
umgelegt. Und Sie wissen, daß es ein Profi war, Marty. Und
Duffy weiß es auch. Keine Fingerabdrücke, keine Fasern,
kein Versuch, die Kreditkarten des Opfers zu benutzen, keine Spur
– gar nichts. Kozinski wurde nicht von irgendeinem
hoffnungslosen Junkie oder einem wutschnaubenden Ehemann aus dem
Verkehr gezogen!«
Felders lächelte. »Und Sie wissen das, weil Sie alle
wutschnaubenden Ehemänner überprüft haben?«
»Und dazu jeden einzelnen Mitarbeiter von Verico. Sie haben
doch den Bericht über die Belegschaft gesehen.« Christopher
Vincent DelCorvo, Forschungsassistent, dessen Mutter die verstorbene
Maria Gigliotti DelCorvo gewesen war. Der Sohn war vermutlich
Angehöriger der Gigliotti-Familie. Alfonso Ardieta, ebenso
Forschungsassistent, mit Blutsbanden zur Callipare- und zur
Bonadio-Familie. Das Problem war nur, daß selbst für die
Sippschaft Blutsbande nicht mehr das waren, was sie früher
einmal gewesen sind. Doch, doch, die Nachkommenschaft, die in den
60er und 70er Jahren das Licht der Welt erblickt hatte, war durch und
durch Cosa Nostra; aber es waren eben Kinder der 60er und 70er Jahre,
einer Generation, der der Sinn nach Individualismus und nach
berechtigten Ansprüchen stand – ein Sinn, der den alten
Männern gar nicht paßte, die während der Depression
großgeworden waren und ›Loyalität über
alles‹ gelobt hatten. Kein Wunder, daß sich diese alten
Männer wieder zunehmend den eingewanderten Sizilianern
zuwandten, denen die alten Sitten und Gebräuche nie
fremdgeworden waren, die sie verstanden – und die den
Einwanderungsbehörden zum Trotz so mühelos in die
Vereinigten Staaten schlüpften und so unsichtbar hier lebten.
Christopher Vincent DelCorvo und Alfonso Ardieta hatten Konkurrenz,
und man konnte sich – ungeachtet ihrer Familienbande –
nicht darauf verlassen, daß sie
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