Verico Target
weiblich
wirkte…
Und es sah so aus, als wäre diese Radiosendung die letzte
Chance für ihn, Saralinda zum Heimkommen zu bewegen.
Du hast immer noch eine Chance, sagten sie bei den Anonymen
Alkoholikern. Herrlich. Großartig. Aber was wußten die
dort schon, ein Haufen Besoffene? Von den Streitern des
göttlichen Bundes hatten die keinen blassen Schimmer.
Hinter dem Empfangsmädchen ging eine Tür auf, und eine
Frau stürmte heraus. Sie war ein wenig älter, gut gekleidet
und fuchsteufelswild. Sie riß einen Pelzmantel von einem
anderen durchgesessenen Regiestuhl und segelte hinaus auf die
Straße, wobei sie die Eingangstür krachend hinter sich
zuwarf. Ein kalter Windstoß strich über Wendells Knie.
»Sie können jetzt reingehen«, sagte das
Mädchen hinter dem Schreibtisch.
Wie beim Doktor, dachte Wendell.
Schwerfällig ging Wendell um den Tisch herum, öffnete
die Tür und betrat einen winzigen Raum, der vollgepackt war mit
elektronischen Geräten. Ein Typ mit Kopfhörern nahm den
größten Teil des freien Platzes ein. Hinter einem
Glasfenster sah man in einen zweiten winzigen, schmierigen Raum
– andere als dreckige Räume schien es hier gar nicht zu
geben –, wo wiederum ein Kerl mit Kopfhörern zu sehen war,
diesmal an einem Tisch mit zwei Stühlen. Zerquetschte Pappbecher
lagen auf dem Tisch herum.
Der Mann im ersten Raum winkte Wendell durch, ohne ihm auch nur
einen Blick zu gönnen. Wendell kam zu dem Schluß,
daß wohl gerade eben ein Werbeblock lief, und er war stolz auf
sich, daß ihm das von ganz allein eingefallen war. Ein kleiner,
harter Ball gespannter Erregung hüpfte in seinem Magen auf und
nieder.
Der zweite Raum war innen mit dämpfendem grauem, schwammigen
Material ausgekleidet, das so aussah wie das Zeug in Transportkisten.
Wendell quetschte sich auf den freien Stuhl, der so dicht an der Wand
stand, daß er kaum Platz fand. Gegenüber von ihm saß
Rick Abrams mit geschlossenen Augen. Schlief der Kerl etwa?
Wendell betrachtete sein Vis-à-vis. Der Mann sah gar nicht
nach seiner Stimme aus. Seine Stimme klang tief und voll, aber Abrams
war ein großer dürrer Mensch mit Armen wie Spaghetti.
Wendell hätte ihn mit einer Hand flachlegen können.
Abrams’ langes rötliches Haar war zu einem schlampigen Zopf
zusammengebunden, und er trug ein rotes Sweatshirt. Er sah aus wie
’ne häßliche Hippiebraut, fand Wendell.
Plötzlich öffnete Abrams die Augen und bedeutete
Wendell, die Kopfhörer aufzusetzen.
»Unser nächster Gast, liebe Freunde da draußen,
die ihr nichts Besseres zu tun habt, als euch neurotischen Krampf
anzuhören, weiß offenbar mit seiner Zeit auch nichts
Nützlicheres anzufangen, als euch die Ohren damit vollzublasen.
Und ich nehme doch stark an, daß es sich um Krampf handelt.
Aber wir geben dem Mann seine faire Chance – he, tun wir das
nicht immer? –, seine Bühne, seine Zuteilung von kurzem
Ruhm bis zur letzten Nanosekunde, bevor der Gong ertönt. Wir
begrüßen heute bei uns Wendell Botts, Bauarbeiter aus der
Gegend hier und früher mal ganz scharf auf Religion; er ist
gekommen, um uns von – und jetzt haltet euch fest, Leute –
von Menschenopfern zu berichten, die bei einem Verein von der
gleichen Sorte wie die Spinner damals in Waco praktiziert werden.
Aber diesmal direkt hier im Staate New York! Wir begrüßen
Mister Botts mit einem donnernden Applaus, Leute! Also wie geht die
Geschichte, Wendell?«
Verwirrt starrte Wendell ihn an. Abrams gab soviel Mist von sich,
und er gab ihn so schnell von sich…
»Also, meine Damen und Herren, ich muß mal ein ernstes
Wort mit dem Sendeleiter reden, es sieht so aus, als hätten wir
jetzt schon Taubstumme in der Sendung. Muß ’ne Art von
Gleichheitskampf sein. Is’ wohl flotter, als mit
Spruchbändern auf die Straße gehen, wie, Wendell? Aber
lassen Sie sich nur Zeit, Mister Botts, wir haben immer noch vierzehn
Minuten und zehn Sekunden bis zur Kennmelodie.«
Bis zu was? Völlig in Panik geraten starrte Wendell Abrams
an, der ihn über den Tisch hinweg anlächelte. Nein, er
lächelte nicht – er lachte, tonlos! Der Hundesohn
lachte ihn aus!
»Mein Name ist Wendell Botts«, sagte er und hielt
erschrocken inne, als seine eigene Stimme aus den Kopfhörern in
seine Ohren drang.
»Das hätten wir also mal zweifelsfrei
festgestellt«, sagte Abrams. »Gutpunkt für positive
Identifikation, Detektiv Botts. Nun, was haben wir auf dem
Herzen?«
»Ich…«
»Los, los, spucken Sie’s aus, Mann, dort draußen
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