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Verirrt in den Zeiten

Verirrt in den Zeiten

Titel: Verirrt in den Zeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oswald Levett
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welche jenem
Gott geweiht sind. An dem Tag der Woche, der nach ihm benannt
ist, fährt jeder Gott in seinem Wägelchen hervor. Über
den Bildern der Planeten gewahrt man eine Scheibe, welche
die Viertelstunden und Minuten angibt. Zur Rechten und zur
Linken steht ein Engel, und bei jedem Stundenschlage kehrt
der rechte eine Sanduhr, der andre hebt ein Szepter.
    Das zweite Stockwerk trägt ein Astrolabium mit einem
Stundenzeiger und mit andern Zeigern, welche die Bewegung
der Planeten im Tierkreise beschreiben. Darüber kreist der
Mond, und ein Quadrat bezeichnet seinen Lauf und seine
Phasen.
    Das dritte Stockwerk zeigt vier Männer. Sie sind geharnischt
und verkörpern die vier Menschheitsalter, jede Viertelstunde
setzt ein andrer von den vieren silberne Zymbeln in Bewegung
und erzeugt damit ein sanftes Glockenspiel. Darüber
schwebt die Stundenglocke. Auf einer Seite steht der Heiland
und auf der anderen der Tod. Mit jedem Viertel naht er sich
der Glocke, die Stunde anzuschlagen. Doch weist der Heiland
ihn zurück. So lange, bis der vierte der Geharnischten die
letzte Viertelstunde schlägt. Nun tritt die Christusstatue zurück,
und es schlägt der Tod die Stunde.
    Ich nahm die Uhr und trug sie auf mein Zimmer. Halb spielerisch,
stellte ich sie hier auf eine Truhe. Und rechts davon,
an einem Nagel, den ich in die Wand geschlagen hatte, hingen
die Bleistiftskizzen der Maschinen, die ich vor kurzem
angefertigt hatte.
    Hier, genau an dieser Stelle, sechs Schritt vom Fenster,
hatte stets die Uhr gestanden. Damals, wie soll ich sagen, vor
oder nach dreihundert Jahren? Und rechts davon der Wandkalender,
da, wo jetzt die Maschinenskizzen hängen.
    Mühsam brachte ich das Werk in Gang, und immer wieder
mußte ich mit liebevoller Andacht die Uhr betrachten und betasten.
    Ach, was doch solch ein armes kleines Herz in dieser großen
reichen Welt, in dieser weiten wilden Welt erfahren muß!
Wie soll ich schildern, was ich fühlte, wie ein Gleichnis finden
für das Unvergleichliche?
    Sag, ferner Leser, du Ungeborner oder längst Verstorbner,
sag, hast du je dein Heimatland verlassen und in der Fremde,
fern von allen Lieben, nach vielen sehnsuchtsvollen Jahren ein
altvertrautes Spielzeug deiner Kindertage unverhofft entdeckt?
Oder warst du je verschlagen auf ein wüstes Eiland
irgendwo im Weltmeer, ohne Hoffnung einer Heimkehr, und
bist am Strand gestanden, händeringend, und starrtest auf
den mitleidlosen Ozean, und plötzlich spülte eine Woge dir zu
Füßen das Bildnis deiner Mutter, das du als Kind am Halse
trugest?
    Nun, vor dieser Uhr war ich schon als Knabe stundenlang
gestanden. Sie war es, die mir das Geheimnis der Mechanik
zum erstenmal enthüllte, die mir das rätselvolle Bild der Zeit
in spielerischem Gleichnis spiegelte. Und bei der sinnenden
Betrachtung dieses Uhrwerks war mir zum ersten Male —
schattenhaft, beglückend — die Idee genaht, ein andres Spielwerk
zu ersinnen, das dieses Rätsel lösen, das die ewig
Flüchtige in ihrem Fluge überflügeln, das die Zeit bezwingen
sollte.
    Und während ich alldem in schmerzlichem Erinnern nachhing,
löste ich die Hemmung aus und brachte das Getriebe in
Gang. Aus dem Dornröschenschlaf erwachten nun zu fieberhaftem
Leben die Maschinen. Die Wagen der Planeten fuhren
rasselnd vor, unablässig hob der eine Engel seinen Stab, wendete
der andere seine Sanduhr. Es zog der Mond am Firmamentdahin in deutlich wechselnder Gestalt, und auf dem
Astrolabium beschrieben die Gestirne eilends ihren Kreislauf.
Und vollends in dem dritten Stockwerk, bei den Glocken, da
war ein ruheloses Hin und Her. Die Harnischmänner drängten
sich zum Läutwerk. Kaum daß der Heiland noch dem
Tode wehren konnte. Das Glockenspiel der Viertelstunden
jagte sich, vom tiefen, ernsten Stundenschlage immer wieder
unterbrochen; es war ein unaufhörliches Getöne. So drängte
die entfesselte Maschine in eine kurze Spanne Zeit zusammen,
was sonst das wohlgemeßne Werk des Ablaufs vieler
Wochen war.
    Wehmütig lächeln mußte ich. Nun hatte ich ja doch die Zeit
besiegt.
    Die Zeit besiegt — o grauenvoller Hohn. Im Spiel, in tändelnder
Verkleinerung, was ich in Riesenmaß, in heiligem
Ernst, der Ewigkeit zum Trotz, der Menschheit zur Erlösung
wollte! . . . Nur wollte, nicht vollbrachte?
    Und wie ich so in seltsamem Gemisch von Rührung, Spott
und Zweifel das ruhelose Uhrwerk abschnurren ließ, da strich
ein Windhauch durch das Fenster, und von dem Nagel lösten
sich die Skizzenblätter und sanken nieder, wie

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