Verirrte Herzen
habe . . .« Ihre Kehle war wie zugeschnürt, sie konnte nicht weitersprechen. Ihre Zunge bewegte sich einfach nicht.
Verängstigt sah Caro sie an. So hatte sie Anne noch nie erlebt.
Anne nahm all ihren Mut zusammen: »Ich habe mit einer anderen Frau geschlafen.«
Augenblicklich glitt Caro das Wasserglas aus der Hand. Mit einem lauten Klirren zerbrach es in tausend Scherben. Aber Caro bemerkte es nicht. Alles geschah wie in Zeitlupe. Das Wasser spritzte an ihr hoch, doch sie spürte die Tropfen nicht auf ihrer Haut. Was hatte Anne da gesagt? Sie fühlte sich wie vor den Kopf gestoßen, ihr Mund wurde trocken. Mit aufgerissenen Augen starrte sie in die Leere. Sie spürte in ihrem Herzen einen gewaltigen Stich, der nicht nachzulassen schien. Tränen stiegen in ihre Augen. Ein unendlicher Schmerz ergriff sie.
Das konnte nicht wahr sein, es musste ein Alptraum sein. So etwas würde Anne doch nicht machen. Sie liebten sich doch. Sie gehörten zueinander. Ungläubig schüttelte sie ihren Kopf. Es war ein Missverständnis, sie hatte es falsch verstanden.
Als Caro klarwurde, dass es kein Missverständnis gab, zerbrach im selben Augenblick ihr ganzes gemeinsames Leben für sie. Niemals war sie so verletzt worden, alles schien nur eine einzige Lüge gewesen zu sein. Der Glaube an die Unerschütterlichkeit ihrer Liebe zersprang in tausend Stücke.
Caro weinte. Mit letzter Kraft stützte sie sich auf den Tisch. »Wie konntest du das nur tun?«
Anne wusste keine Antwort, sie fühlte sich so schrecklich leer. Wie gern hätte sie Caro in den Arm genommen, um sie zu trösten. Doch das durfte sie nicht. Caro hätte sie weggestoßen, zurecht.
Minutenlang standen die beiden stumm und regungslos in der Küche, wussten nicht mehr weiter.
Noch immer konnte Caro nicht fassen, was eben geschehen war. Am liebsten hätte sie geschrien, aber der Schock paralysierte sie. Sie musste weg. Hierbleiben konnte sie unmöglich. Aber wo sollte sie denn jetzt hin? Nie wieder wollte sie Anne in die Augen sehen, zu sehr war sie verletzt.
»Bitte. Sag doch was«, bettelte Anne mit brüchiger Stimme. Flehend sah sie in Caros tränenüberströmtes Gesicht.
Doch Caro reagierte nicht.
Sie löste sich aus ihrer Starre und packte abwesend ein paar Sachen zusammen. Ohne ein weiteres Wort verschwand sie.
Anne hörte nur noch das laute Knallen der Wohnungstür.
Erst, als Caro auf der Straße stand, begriff sie, was wirklich passiert war. Anne hatte sie betrogen. Sie hatte mit einer anderen Frau geschlafen, sie hintergangen. Womöglich hatten sie es noch in ihrem gemeinsamen Bett getrieben. Bei diesem Gedanken wurde Caro übel. Sie dachte, sie müsste sich übergeben.
Mechanisch setzte sie einen Fuß vor den anderen, bis sie an einer kleinen Bar angekommen war. Sie bestellte ein großes Pils und leerte es in einem Zug.
Einsam und todunglücklich lag Anne in ihrem Bett. Noch immer standen Tränen in ihren Augen, und dieser Schmerz und die Leere schienen niemals enden zu können. Sie hatte immer noch keine Erklärung dafür, wie das hatte passieren können.
Caro hatte so zerbrechlich ausgesehen.
Anne fühlte sich entsetzlich müde. Ihre Knochen waren schwer wie Blei. Sie wollte einfach nur noch schlafen, ihren Kopf abstellen, alle Gedanken vertreiben. Es gelang ihr nicht.
Caros Gesicht, in dem sich der tiefe Schmerz und die unendliche Verletzung widerspiegelten, schob sich vor ihre Augen. Es zerriss ihr das Herz. Wie hatte sie das ihrer Liebsten antun können?
Anne fror. Ihr war schrecklich kalt. Sie hüllte sich in ihre Bettdecke, aber ihr wurde nicht warm. Sie fror innerlich. Sie wälzte sich unruhig hin und her.
Die ganze Nacht wartete Anne darauf, dass Caro zurückkäme, um in Ruhe mit ihr zu reden. Aber Caro kam nicht.
Um sieben Uhr kämpfte sich Anne aus dem Bett. Nur noch diesen Tag überstehen, dann war Wochenende, und ab Montag hatte sie auch Lilly wieder bei sich. Sie vermisste ihre Tochter, auch wenn sie froh war, sich im Moment nur um sich selbst kümmern zu müssen.
Caro blieb verschwunden. Kein Anruf, gar nichts. Anne hatte keine Ahnung, wo sie die Nacht verbracht hatte.
Hoffentlich ist ihr nichts passiert, kam es ihr in den Sinn. Sie würde sich doch wohl nichts antun? Aber nein, natürlich war ihr nichts passiert, sie wollte sie jetzt einfach nicht sehen.
Anne konnte das nur zu gut verstehen. Am liebsten hätte sie sich selbst auch verlassen.
Kraftlos schleppte sie sich zu Arbeit.
Nach der Arbeit würde die Welt sicher
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