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Veritas

Titel: Veritas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesco Rita & Sorti Monaldi
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hinzu. «Und vor dem Krieg wurden die schönsten von ihnen auch nach Wien importiert. Jedenfalls wird Schach immer mehr zu einem Spiel der Reichen. Hristo unterrichtet es sogar, vorausgesetzt, die Schüler bezahlen gut. Auch wenn er um Geld spielt, ist der Gegner meist ein wohlhabender junger Herr. Darum verdient Hristo im Grunde ganz ordentlich.»
    «Aber Leute wie Hristo, also gewerbsmäßige Spieler, müssen doch auch manchmal verlieren.»
    «Wir Studenten werden durch eine besondere Gesetzgebung geschützt. In einem alten Privilegium des Herzogs Albrecht aus dem Jahr 1267 ist festgelegt, dass ein Student beim Spiel nur das Geld verlieren kann, das er bei sich trägt, keinen Pfennig mehr, und er darf weder seine Bücher hergeben noch seine Kleider. Außerdem ist der Gewinn beim Spiel nur gültig, wenn ein Pfandner zugegen ist, der die Einnahmen der Spieler verwaltet. Und da Hristo ohne Pfandner spielt, führt er in den seltenen Fällen, in denen er verliert, diesen Vorwand ins Feld, von dem seine Herausforderer nichts wissen. Und zahlt nicht. Wenn der Verlierer freilich kein Kavalier ist und argwöhnt, er sei betrogen worden, könnte es passieren, dass er sich rächt.»
    Wir hatten inzwischen die Leopoldinsel am anderen Ufer eines der Donauarme erreicht, jenes Viertel also, in dem vom morgigen Tag an die Gesandtschaft des Agas logieren würde. Nachdem wir über eine lange Allee gefahren waren, überquerten wir auf einer Brücke einen Kanal, welcher die Leopoldinsel von dem ausgedehnten Jagdgebiet Prater trennt.
    Hristo musste uns wahrhaftig etwas sehr Geheimes und Dringendes zu sagen haben, dachte ich, wenn er uns bei diesem Frost hierher bestellte.
    Wir fuhren über die Brücke, vorbei an der Villa der adeligen Familie Häckelberg zur Rechten und dem Besitz derer von Löwenthurm zur Linken, und näherten uns der weiten Fläche des Praters.
    Gleich hinter der Brücke hielten wir an, wir waren allein. Simonis und ich stiegen von der Kalesche. Penicek blieb auf dem Kutschbock sitzen und nickte, als mein Gehilfe ihm befahl, sich bis zu unserer Rückkehr nicht von der Stelle zu rühren.
    Das winterliche Wetter hatte die Straßen geleert, vor allem aber diesen, nächst den kalten Wäldern und feuchten Wiesen gelegenen Teil der Stadt.
    «Das Tor ist verriegelt», bemerkte ich, auf den großen Eingang weisend.
    «Natürlich, Herr Meister, dies ist ein kaiserliches Jagdrevier. Folgt mir, bitte», sagte er und begann, rechts vom Eingang am Zaun entlangzugehen.
    «Mit Cloridia bin ich aber einmal durch genau dieses Tor gegangen, und wir haben hier fast einen ganzen Tag verbracht», wandte ich ein, während wir voranschritten.
    «Bei Paaren von respektablem Äußeren drücken die Forstmeister schon mal ein Auge zu. Doch im Allgemeinen ist der Eintritt dem gemeinen Volk verboten. Nur Ihre Kaiserliche Majestät, Damen und Kavaliere, Kaiserliche Räte, Kanzlisten und Hofkammerbeamte dürfen das Gelände betreten. Es war übrigens just Maximilian II., der aus dem Prater das große Jagdrevier gemacht hat, das es jetzt ist. Er ließ einfach Grundstücke, die früher getrennt waren, zusammenlegen. Vorher gehörten einige Teile zum Beispiel dem Himmelpfortkloster. Die Nonnen haben einmal halb Wien besessen.»
    «Stimmt, sie eignen ja auch noch diesen Weinberg in Simmering, unweit des Ortes Ohne Namen.»
    «Hier im Prater», berichtete mein Gehilfe weiter, «ließ Maximilian auch die große Allee anlegen, die Ihr bei Eurem Besuch gewiss gesehen habt.»
    Wieder einmal wandelten wir also auf den Spuren Maximilians II., des Herren über den Ort Ohne Namen, dachte ich. Wer weiß, ob das ein Wink des Schicksals war.
    Endlich blieb Simonis stehen und zeigte mir eine Stelle in der Palisade, wo man durch eine breite, hinter einem Busch verborgene Öffnung ins Innere schlüpfen konnte.
    «Die Kinder von der Leopoldinsel nutzen diese Öffnungen, wenn sie im Prater spielen und Schlitten fahren möchten. Wenn es diskret zugehen muss, halten meine Freunde und ich es ebenso», erläuterte Simonis.
    Kaum waren wir durch den Spalt gekrochen, empfing uns eine idyllische, unwirkliche Landschaft. Das ganze Revier lag unter einer dichten Schneedecke. Die Gipfel der Bäume bohrten sich in die milchige, unermessliche Weite des Himmelsgewölbes, jedes Ding schien mit dem Schnee zu verschmelzen, und was im Sommer grüne Erde und blauer Himmel waren, vereinigte sich jetzt im reinsten Weiß einer leuchtenden Umarmung. In dieser Märchenwelt verbargen sich

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