Veritas
dieser Gegend zu stören. Vielleicht aber auch nicht, das hässliche Aussehen mag trügen, vielleicht sind sie wirkliche Zauberer. Doch macht das einen Unterschied? Der Teufel ist Engländer, sagt man.
Wie Magneten ziehen Devus und Engelander Legionen von Hexern, Zauberpriestern, Meistern der schwarzen Magie, Alchemisten und Spagirikern an. Prag öffnet seinen weichen, schwarzen Bauch, die Kräfte der Finsternis sind willkommen, der schwache Geist des Kaisers reißt die Türen auf, und triumphierend dringt der unflätige Wind der magischen Künste ein.
Das Volk ist verwirrt, die Adeligen lassen sich umgarnen, rasch bereichert sich das englische Pärchen und schleicht sich schließlich in Rudolfs Vertrauen ein. Auch der Kaiser ist von der Astrologie besessen; jeder, der ihn besucht, muss sein eigenes Horoskop mitbringen; fällen die Astrologen ein negatives Urteil, wird der Besucher fortgeschickt. Rudolf gibt ungeheure Summen für Talismane, Elixiere, Amulette und Wundermittel aus. Keinen Schritt tut er, nicht einmal bei Frauen, wenn er argwöhnt, sie seien unter einem bösen Stern geboren. Man nutzt die Situation aus und besticht seine Ratgeber, um freie Bahn zu haben. Den Kaiser kann jeder hintergehen.
Der Sohn des frommen Maximilian schenkt Devus zunächst seine Gunst, dann verjagt er ihn, weil der päpstliche Nuntius schwarze Magie wittert. Ihm bleibt Engelander, der Schlimmere, der seine Zeit mit Prassereien, Übergriffen und Besäufnissen verbringt und sich ein Haus neben einem gewissen Doktor Faust kauft, einem Experten für Schwarzkünste (die schwarze Magie und der Buchdruck). Es heißt, er sei auf einem Pferd mit Drachenflügeln über Prag geflogen und habe sich dann von seinem Dorf Kutna Hora (Gutenberg auf Deutsch) bis nach Deutschland begeben, um den Buchdruck zu erfinden. Engelander ist ein Hitzkopf, bei einem Duell tötet er einen Adeligen. Rudolf nutzt das, um ihn in einem Turm einzusperren, denn mit der harten Gefängnishaft will er ihm das Geheimnis um den Stein der Weisen abpressen. Der Engländer weigert sich, versucht zu fliehen, stürzt in den Graben der Festung und bricht sich ein Bein, das ihm durch ein Holzbein ersetzt wird. So wird aus dem Ohrenlosen das Holzbein, an seinen Reichtümern halten sich die Gläubiger schadlos. Rudolf will ihn nicht mehr, glaubt aber immer noch, er sei der Hüter unschätzbarer Geheimnisse, er liebt und hasst ihn. Wiederum ins Gefängnis gesteckt, versucht Engelander eine erneute Flucht, bricht sich auch das andere Bein und bringt sich um.
In Prag, der teuflischen Stadt, haben sich die Rachepläne Ilsungs und seiner Gehilfen voll und ganz erfüllt: Rudolf ist jetzt das Opfer von Halluzinationen und Wutanfällen, überall sieht er Komplotte und Anschläge, ja, er selbst sucht mehrmals den Tod. Was schlimmer ist, sein Wahnsinn wird ihn überleben: Sein unehelicher Sohn, der blutrünstige Don Julius, der, besessen von der Jagd, sich stets mit einer Meute wilder Hunde umgibt – ein wahres Tier unter Tieren –, der häufig betrunken ist und nach den Fellen stinkt, die er gerne persönlich gerbt, wird von der Leidenschaft für die Jagd zu jener für die Tierquälerei übergehen, bis er dann auch Männer und Frauen foltert. In einer irrsinnigen Liebes- und Mordnacht tötet er die wehrlose Tochter eines Baders in dem Dorf, wohin er sich zurückgezogen hatte, und schneidet sie in Stücke. Man erklärt ihn für wahnsinnig und lässt ihn einsperren. Er stirbt, wahrscheinlich ermordet, im Schloss Krumau.
Ich schwieg, erschüttert von dieser entsetzlichen Geschichte. Bis eben hatte ich an Simonis’ Lippen gehangen, jetzt warf ich einen Blick auf die endlosen Gärten des Ortes Ohne Namen.
«Wie Ihr Euch gut vorstellen könnt, Herr Meister», schloss Simonis, «ist mit Maximilian nicht nur der Geist seines Sohnes, sondern auch das Neugebäu zugrunde gegangen. Seither hat niemand mehr in diesen Gärten, der Villa, der Menagerie gearbeitet. Doch ohne Pflege sterben die Pflanzen, die Mauern stürzen ein, es werden keine Tiere mehr gekauft. Wie lange kann das alles noch überdauern? Joseph ist der erste Kaiser, der den Wunsch hat, diese Stätte zu retten. Möge Gott es ihm gewähren.»
Aus dem großen Eingangssaal schritten wir in den nächsten Raum zur Linken. Auch hier schienen die kahlen Wände, die großen Fenster, die den Blick auf den Himmel freigaben, und die hohe Saaldecke den Besucher an die Großartigkeit des Ortes Ohne Namen gemahnen zu wollen und an seine
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