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Veritas

Titel: Veritas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesco Rita & Sorti Monaldi
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Ausgerechnet in diesen Stunden verrichtete der Verräter seine schmutzige Arbeit: Er ließ den Türken ein Bündel vertraulicher Schreiben zukommen, in denen er die Spaltung zwischen Bürgern und Militärs beschrieb, woraus die Türken klar schließen konnten, dass der beste Moment für einen Angriff gekommen war. Der infame Spion (dessen Namen niemand kannte) war der Diener eines Kaufmanns, der den Wienern als Doktor Schahin bekannt war. Zum Glück beschlossen die Türken, trotz der wertvollen Information noch zu warten. In der Zwischenzeit kam die Verstärkung der christlichen Armeen an, die in der entscheidenden Schlacht am 12. September dann ruhmreich siegten.
    «Und weiter?», fragte ich.
    «Die Verräter, Schahin und sein namenloser Diener, jene, die den leidenden Gliedern der belagerten Stadt das tödliche Gift des Verrats injizierten, waren zwei Armenier.»
    Darauf erklärte er in den hitzigen Tönen der Empörung, dass die Armenier ursprünglich Bewohner eines fernen, entlegenen Reiches zwischen der Türkei und Persien gewesen seien, welches die Osmanen sich unterworfen hatten. Also begannen sie, von der Krim, manchmal sogar von Konstantinopel aus, der Hauptstadt des Türkenreichs, gen Westen zu ziehen, schwärmten durch Polen und Galizien und gelangten schließlich nach Wien. Sie hassten die Türken, die ihr kleines, altes Reich unterdrückten und von deren Joch sie sich zu befreien trachteten. Darum reisten viele als Spione für Österreich zwischen Wien und der Hohen Pforte hin und her. Doch bei der erstbesten Gelegenheit nutzten sie das Vertrauen, welches der Hofkriegsrat ihnen entgegenbrachte, und verkauften sich an den Feind.
    Sie waren zu den kühnsten Unternehmungen fähig und erduldeten die unglaublichsten Strapazen; verkleidet als Händler, Dolmetscher und Kuriere, halfen sie ihren Herren bei Sabotage, Verleumdung und Mord. Sie führten ganze Karawanen wochenlang durch die Wüste, ohne Hunger, Durst und Müdigkeit zu fürchten, und sie blieben bis ins hohe Alter rastlos tätig. Sie wussten Sprengstoffe zu handhaben, waren Meister der Heilkunst und kundig in den Geheimnissen der Alchemic Gift war ihr bewährtes Werkzeug. Als Lohn für ihre Dienste erhielten sie durch Kaiserliches Dekret die Lizenz, Kaffeehäuser zu eröffnen, oder eine Anstellung als Hofkurier, was ihnen gestattete, nach Belieben zwischen dem Reich und den Ländern des Orients zu pendeln. In den Gegenden zwischen Polen und Österreich entstanden Orte, die nur von Armeniern bewohnt waren, wo sie mit eigenen Gesetzen und Richtern regierten, von den Zöllen befreit waren und überdies, da sie ein amtliches Monopol auf die Tätigkeit als Übersetzer und Dolmetscher besaßen, den gesamten Warenfluss kontrollieren konnten, nicht nur von Osten nach Westen, sondern auch von Süden nach Norden. Dank solcher Vorteile bereicherten sie sich mit den übelsten Geschäften. So auch ein Armenier namens Johannes Diodato, ein großer Freund jenes Schahin, welcher die Stadt während der Belagerung von 1683 verraten hatte: Er eilte kurz nach der Befreiung Wiens zu den Resten des türkischen Feldlagers, um die Waffen zu verkaufen, welche die Besiegten zurückgelassen hatten, und nach der Eroberung von Buda spekulierte er mit dem Sklavenhandel.
    «Von dem berüchtigten Georg Kolschitzky, genau jenem Gründer des Kaffeehauses Zur Blauen Flasche», erklärte Koloman erregt, «heißt es, er sei während der Belagerung seelenruhig zwischen den feindlichen Linien hin- und hergependelt, um Depeschen zu überbringen. Er arbeitete als Spion der Kaiserlichen gegen die Türken, aber mit Sicherheit auch umgekehrt.»
    Auf osmanischem Gebiet stahlen sie Silbermünzen und schmuggelten sie dann ins Reich. Vor etwa dreißig Jahren hatte man dank der Proteste der Wiener Kaufleute sogar die Ausweisung fast aller dieser unheimlichen Gestalten erwirkt.
    «Doch der Kriegsrat brauchte sie weiterhin, und schließlich durften sie wieder einreisen», erklärte der ungarische Student.
    «Und die Kaffeehäuser?», fragte ich.
    Die seien nichts anderes als Orte, wo das frevelhafte Volk der Armenier Handel mit geheimen Botschaften, Denunziation, Bestechung und Intrigen betreibe. Sie selbst aber schienen unantastbar zu sein: Wenn sie wieder einmal Ärgernis erregten und die Wogen allzu hoch schlugen, gingen sie nach Konstantinopel, um dann nach einiger Zeit ungestraft zurückzukehren. Sie heirateten nur untereinander, um ihre Geschäftsverbindungen zu sichern. Doch da sie von

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