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Veritas

Titel: Veritas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesco Rita & Sorti Monaldi
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zusammen, als er den Namen des Heiligenfledderers hörte.
    Ich berichtete ihm von den Umständen, unter denen ich ihn wiedergefunden hatte.
    «Stimmt, jetzt entsinne ich mich: Dieses unflätige Wesen stammt ja aus Wien. Die Welt ist wirklich klein.» Er schüttelte fast ungläubig den Kopf. «Nach so vielen Jahren würde ich ihn sogar gerne wiedersehen … oder sagen wir: ihm wiederbegegnen», verbesserte er sich traurig, auf seine Blindheit anspielend.
    Die überraschte Reaktion Melanis gab mir die Gewissheit (wenn es deren nach seinem Geständnis noch bedurfte), dass er wirklich ahnungslos war. Ich hatte mich gründlich geirrt.
    Ich erklärte ihm, dass Cloridia Ugonio und Ciezeber belauscht hatte, als sie ein Komplott um jemandes Kopf schmiedeten. Der Abbé hörte mir angespannt zu. Ich musterte ihn aufmerksam, während ich erzählte, doch die schwarzen Augengläser verwehrten mir, die geheimen Regungen seiner Seele zu erfassen. Ich erinnerte ihn auch an den geheimnisvollen Satz, den der Aga in Gegenwart des Prinzen Eugen ausgesprochen hatte, und resümierte abschließend die wunderlichen osmanischen Legenden um den Goldenen Apfel.
    «Nur eines will mir nicht einleuchten», schloss ich, «was haben die Türken mit der Krankheit des Grand Dauphin zu tun? Die Hohe Pforte ist immer ein Verbündeter Frankreichs gewesen …»
    «Das ist nicht entscheidend. Entscheidend ist die Methode.»
    «Was meint Ihr damit?»
    «Für sich genommen sind die Osmanen nichts. Im Lauf der Jahrhunderte sind sie immer der bewaffnete Arm des Westens gewesen, der sich gegen den Westen selbst richtete. Vor zweihundert Jahren hat der König von Frankreich, Franz I., Süleyman dem Prächtigen vorgeschlagen, das Reich in Ungarn anzugreifen; ein Vorschlag, der angenommen wurde und erfolgreich war. In Italien bat die Stadt Florenz Mohammed II. um Hilfe gegen Ferdinand I., den König von Neapel. Venedig bediente sich der Streitkräfte des Sultans von Ägypten, um die Portugiesen aus dem östlichen Mittelmeer zu vertreiben, da sie Venedigs Handelsgeschäfte störten. Und es gibt unzählige italienische Militärtechniker, die dem Sultan ihre Dienste angeboten haben, wenn sie gut bezahlt wurden. Als Philipp II. von Spanien sich rüstete, Portugal zu erobern, schenkte er dem König von Marokko Territorien, um ihn versöhnlich zu stimmen, und gab somit christliche Lande in die Hände der Ungläubigen – und das, um einen katholischen König berauben zu können! Sogar die Päpste Paul III., Alexander VI. und Julius II. haben den Türken um Hilfe ersucht, wenn es ihnen opportun erschien.»
    Schon vor drei Jahrzehnten, im Jahr 1683, hatte ich einen großen Teil dieser wenig ruhmreichen Beispiele aus Melanis Mund gehört. Nur eine Episode fehlte in Attos Aufzählung, und ich verstand, warum er sie unterschlagen hatte: In ebenjenem Jahr 1683 hatte der Allerchristlichste König die Türken, als sie Wien bedrohten, heimlich unterstützt.
    «Die Osmanen sind ein ideales Werkzeug. In meinem langen Leben habe ich viele von ihnen gesehen, darunter auch Banditen und Übeltäter.»
    Es fiel mir nicht schwer, das zu glauben. Wer weiß, wie viele schmutzige Händel Atto auf Befehl seines Königs mit den Ungläubigen getätigt hatte …
    «Unter diesen Banditen gab es Gesichter mit dem lebhaften Ausdruck eingefleischter Brutalität», fuhr Melani fort, «und Reue kannten sie nicht. Denn es genügt nicht, eine Seele zu haben, man muss auch die Gegenwart Gottes fühlen, um am eigenen Niedergang zu leiden, um Scham zu empfinden. Christliche Verbrecher dagegen tragen die Spuren ihres Kampfes gegen das Böse Gott sei Dank meist auf der Stirn, auch wenn sie ihn verloren haben. Bei den Osmanen sind Verbrecher keine Menschen von anderer Wesensart als die Weisen. Als ich sie anschaute, war der Blick der türkischen Banditen selbstsicherer als meiner. Ich konnte nicht umhin, in ihnen Menschen mit einer anderen Natur als der unseren zu sehen, Menschen, welche die christliche Bedeutung der Worte Laster und Tugend nicht kannten. Wer sie nicht begreift, steht außerhalb des Christentums, ja außerhalb der menschlichen Natur selbst. Als ich mit den Osmanen zu tun hatte, musste ich erkennen, dass es in einer Kultur, die fast so alt ist wie die christliche, doch auf gänzlich anderen Grundlagen ruht, ein solches Phänomen tatsächlich gibt: den Menschen ohne Gewissen!»
    Attos Worte bestürzten mich. Jetzt spürte ich in den Gliedern eine schneidende Angst vor dem Türken, ähnlich,

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