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Veritas

Titel: Veritas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesco Rita & Sorti Monaldi
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Ciceros, « de multiis cognoravisti … etiam Viennam multorum turcarum … talis melamangiaturpaternosteramen .»
    Bevor der Satz sich in einem unverständlichen Gestammel erschöpfte, hatte Ugonio gezögert, da er sich nicht mehr recht zu erinnern schien.
    «Kannst du das wiederholen?», fragte Abbé Melani, verblüfft über diese zusammenhanglose Reihung.
    Ugonio holte so tief Luft, als müsste er drei Tage lang den Atem anhalten.
    « Quis pomum aureum , de multiis ignoravisti … », begann er.
    «Erst hast du gesagt cognoravisti , nicht ignoravisti .»
    Ugonio fletschte die gelben Zähne in einem unflätigen Grinsen, das um Nachsicht und eine Spur Humor flehte.
    «Wenn ich allzu sehr verschöpft werde, vermemoriere ich alles manchmal immer.»
    «Du hast offenbar auch vergessen, dass der Erzengel Michael nur sieben Worte schrieb. Du selbst hast es mir erzählt, erinnerst du dich?», sagte ich.
    «Hm … jaaaa …»
    «Das reicht, Ugonio», unterbrach ich ihn, «ich sehe, dass es bei dir anders nicht geht.»
    Ich erhob mich und öffnete den Schrank, wo ich einige meiner Schornsteinfegerwerkzeuge aufbewahrte. Ich nahm eine schöne große Zange und machte Anstalten, den Schlüsselbund aufzubrechen.
    «Neiiiin!!!», schrie der Heiligenfledderer und wollte sich auf mich stürzen, wurde aber sofort von Simonis’ starken Armen zurückgehalten.
    «Behalte deine lächerlichen Lügen für dich», beschied ich Ugonio. «Ich muss wissen, ob da oben, wo sich einst der Goldene Apfel befand, wirklich etwas geschrieben steht, und wenn ja, was. Wenn du mir nicht hilfst, werde ich deine kostbaren Schlüssel einen nach dem anderen in die Donau werfen.»
    «Nau, daun vo mia aus. Waas denn heit aum Obend recht?»
    «So früh schon? Pass auf, wenn du mich wieder hereinlegen willst …»
    Nachdem er den Kopf beim Derwisch abgeliefert habe, sei eine andere «dringstliche und delikatlichste» Angelegenheit zu erledigen, erklärte Ugonio mit gierigem Grinsen. Wahrscheinlich wieder eines seiner schmutzigen Geschäfte. Danach aber, verkündete er bedeutungsvoll, werde er sich mit Leib und Seele der Botschaft des Erzengels Michael widmen. Er habe eine Verabredung mit dem Diakon vom Stephansdom und rechne damit, unmittelbar danach mit guten Nachrichten zu uns zurückzukehren.
    «Ach ja», erinnerte ich mich, «der Reliquiensammler. Dreh ihm keinen zu offensichtlichen Humbug an, sonst können wir die Offenbarung des Erzengels vergessen.»
    «Und du deine Schlüssel», ergänzte Simonis lachend.
    Wir vereinbarten ein Treffen im Kloster zur Zeit des Nachtmahls, also um siebzehn Uhr. Denn später, erklärte ich Ugonio, sei ich bei den Proben zum Oratorium des Heiligen Alexius in der Kaiserlichen Kapelle.
    Ugonio bestürmte uns tausendmal, pünktlich mit den Schlüsseln zur Stelle zu sein: Seine «Geschäfte» könnten keine Minute länger ohne den geliebten Schlüsselbund auskommen, andernfalls bedeute das seinen finanziellen Zusammenbruch. Er sei alt und müde, jammerte er, und müsse jetzt genügend Rücklagen für seine letzten Tage zusammentragen.
    Er beruhigte sich erst ein wenig, als ich feierlich auf die Bibel schwor, dass ich seine Schlüssel bis dahin wie meinen Augapfel hüten würde.
    Nachdem er den abgeschnittenen Kopf in seinen hässlichen Jutesack gesteckt hatte, verließ Ugonio unsere Wohngemächer. Als letzten Gruß ließ er denselben ranzigen Modergeruch zurück, den er schon verbreitet hatte, als ich vor achtundzwanzig Jahren in den finsteren Stollen des unterirdischen Roms auf seine aschgraue Gestalt gestoßen war.

    Als das Zimmer von der übelriechenden Erscheinung befreit war, öffnete ich den Schrank, den ich als Versteck für den Schlüsselbund ausgesucht hatte. Gerade wollte ich ihn dort ablegen, da sah ich einen Zettel mit artigen Volten zu Boden schweben. Ich nahm ihn an mich.
    Es war ein Stück Papier, das offenbar auf den Schlüsselring gespießt gewesen war und sich durch das Hin und Her gelöst haben musste. Ich öffnete es.
    «Sieh an, sieh an», flüsterte ich.
    «Was ist das?», fragte Atto.
    Es war ein Merkzettel. Die ersten Zeilen betrafen die vorangegangenen Tage:

    Dunnasdog – Kaufleid ausraunt

    Freidog – de junge Glosdaschwesda üwa’s Oa haun

    Saumsdog – Dermin aufm Gricht : Liagn , daß d’Fetzn fliagn

    Sundog – gföschte Münzn unta d’Leid bringa

    Mondog- dem blinden Waisenbaunkert de gefladatn Sochn zruckgem , owa nua gegn an Knedl

    Diensdog – Stassn gehen in da Kirch : Pfora

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