Veritas
bestückt in den Ofen, einen über den anderen, sodass der Saft vom höchsten Fleischstück bis auf das unterste tropft. Da jedoch niemand gerne Stunden damit zubringt, vor dem Feuer zu sitzen, um die Spieße zu drehen, haben die Wiener einen ingeniösen Drehmechanismus erfunden, der wie eine Uhr durch Gewichte, Kugeln und Ketten gelenkt und von der Kraft des heißen Dampfes aus dem Ofen angetrieben wird. Dank dieses Mechanismus wird das Fleisch am Spieß gleichmäßig gedreht und kommt gut durchgebraten auf den Tisch des Hausherrn.
Auf dem Boden der Küche sah ich ein Abtropfbrett mit sechs Bratspießen. Wie üblich waren sie von ausgezeichneter Machart: Die lange, sehr scharf gewetzte Spitze mit Zähnchen, die sich im Fleisch verankern und verhindern, dass es zu leicht herausgezogen werden kann, war abnehmbar. Doch hier lagen nur vier Spitzen, zwei fehlten.
«Opalinski, wo zum Teufel bist du?», rief Simonis noch einmal ohne rechte Überzeugung.
Von der Küche gelangten wir in ein anderes Zimmer, die sogenannte Stube, die in Österreich weithin verbreitet ist und ein wenig unserem Speisezimmer ähnelt. Hier hält man sich meistens auf, denn der Raum besitzt einen geschlossenen Ofen besonderer Art, wie man ihn nur in den nördlichen Ländern findet. Er gibt eine schöne, laue und gleichmäßige Wärme und trotzt den Unbilden des Winters besser als jeder Kamin. In der Stube halten die Wiener gerne eine Vielzahl an Singvögeln und häufen allerlei Ziergegenstände an (seidenbespannte Paravents, Wandverkleidungen, Porzellan, Gemälde, Stühle, Spiegel, Wanduhren und Teller), welche den Besucher auf vielfache Weise behindern. Er kann kaum durch das Zimmer gehen, ohne gegen eines dieser Utensilien zu stoßen, worauf es unvermeidlich fällt und in tausend Stücke zerspringt – all dies Konzessionen an den Luxus, die Pater Abraham a Sancta Clara zu Recht missbilligt.
«Hier sind noch mehr Blutflecken», sagte ich, Gelassenheit vortäuschend, mit einem Blick auf den Boden.
«Ja. Und sie sind zahlreicher», bemerkte Simonis zerstreut, als sprächen wir über einen Riss an der Decke oder eine Blumenvase. Einige Flecken waren eher Schleifspuren, als sei jemand darauf ausgerutscht.
Als wir zum Eingang zurückkehrten, bemerkten wir, dass auch hier Blutstropfen waren. Wir hatten sie übersehen, als wir die Wohnung betreten hatten, denn sie befanden sich direkt auf der Schwelle der linken Tür, während wir nach rechts gegangen waren. Also gingen wir jetzt nach links.
Je nach Größe der Familie gab es in Wien in jeder Wohnung mindestens ein Schlafzimmer. Auf den Betten versinkt man in bequemen, mit Federn gefüllten Matratzen (die ach so viel weicher sind als die römischen!), eine Annehmlichkeit, die Pater Abraham a Sancta Clara tadelt, führt sie doch früher oder später zur Verweichlichung von Geist und Körper.
Wir betraten also das Schlafzimmer. Die Möbel waren von jener Machart, die nun schon seit langem in Mode ist, dem sogenannten Knorpelstil: dekoriert mit einem Gewirr formloser, unregelmäßiger Ornamente, jedoch durchaus gefällig. Rückenlehne und Sitz der Stühle hatten den üblichen Lederbezug, welcher mit Nägeln am Holz befestigt wird. Links stand ein schöner Klapptisch an der Wand. Auf der rechten Seite ein dreitüriger Schrank mit einer Nische und einer Statuette in deren Mitte. Daneben ein kleines Schränkchen, wie ein Tabernakel geschnitzt, das von zwei Statuen gekrönt wurde und in der Mitte eine Uhr enthielt. An den Wänden hingen eine kleine Pendeluhr und ein Spiegel.
Mitten im Zimmer stand schließlich ein großes Doppelbett. In der Luft hing ein merkwürdiger, eisenhaltiger Geruch. Vor dem Bett stand, mit dem Rücken zu uns gewandt, ein Sessel, in dem jemand saß. Er drehte sich um.
«Du!», rief Simonis aus.
Da bemerkte ich, dass der Grieche etwas aus dem kleinen Sack geholt hatte, den er seit Tagen mit sich führte: eine Pistole. Und er hielt sie auf den gerichtet, der uns hier empfangen hatte: Penicek.
«Was fällt Euch ein? Nicht schießen! Ich … ich bin verletzt!», rief der Pennal beim Anblick der Waffe.
Er stand mühsam auf, seine Beine zitterten. Den rechten Arm umklammerte er mit der anderen Hand, zwischen den Fingern trat Blut hervor. Auch von der linken Schläfe rann ihm ein dünner, blutroter Faden. Simonis und ich blieben reglos stehen, drei Schritt von ihm entfernt.
«Es war Opalinski», fuhr er fort, «er hat mir gesagt, wir sollten uns hier treffen.»
«Uns auch»,
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