Veritas
Schritt getan hättet, durch den Glàwari erkennen konnte, wer Euch die Befehle gibt.»
«Befehle? Welche Befehle?», wunderte ich mich.
«Nun, wer Euch befohlen hat, Euch in Angelegenheiten einzumischen, die Euch nichts angehen.»
«Heißt das, Opalinski, ich meine Glàwari, glaubte, wir würden nicht auf eigene Faust handeln?», fragte ich mit vor Staunen geöffnetem Mund.
«Genau», erwiderte der Böhme.
Da hatte Glàwari sich getäuscht. Cloridia und ich waren aus eigenem Antrieb auf die Bedeutung des Satzes des Agas neugierig geworden, und das Ganze wäre im Sande verlaufen, wenn Simonis sich nicht erboten hätte, seine Kameraden mit Nachforschungen zu beauftragen.
«Diese Verbrechen haben also nur dazu gedient, Euch zu beschäftigen», fasste Penicek zusammen.
«Ein barbarischer Trick, um zu sehen, wie wir reagieren», sagte ich erschüttert.
«Wie die Katze mit der Maus», bestätigte Penicek und stöhnte vor Schmerz. «Zuletzt Koloman – das war ein unverhofftes Glück …»
«Einen Moment. Opalinski kann Koloman nicht getötet haben: Er war mit uns in der Himmelpforte!», unterbrach ihn Simonis, dessen Gesicht von Entsetzen und unterdrücktem Zorn entstellt wurde.
«Ja, natürlich», nickte Penicek sofort, sichtlich eingeschüchtert durch seinen Schoristen, «Opalinski, oder besser Glàwari, hatte Koloman nämlich schon umgebracht, bevor er in der Himmelpforte zu Euch stieß. Er war zusammen mit mir ins Kloster gekommen, weil er den festen Vorsatz hatte, mich in die Sache zu verstricken. Nicht ohne Grund hatte er ihn nach Prager Art aus dem Fenster geworfen. Wie ich schon sagte, es war ein unverhofftes Glück für ihn, dass Ihr mir den Auftrag gabt, zum Spezial zu gehen. Vorher hat er so getan, als wolle er Kolomans Versteck auf keinen Fall preisgeben. Doch von dem Moment an, da ich das Himmelpfortkloster verließ, um die Ingredienzien zu kaufen, besaß ich kein Alibi mehr und hätte meine Unschuld nicht beweisen können. Wir sind zwar alle Studenten der Medizin, doch Glàwari ist schlauer als ich: Er wusste, dass ich die galenische Zubereitung würde abwarten müssen und dass die lange Liste der Essenzen, die ich kaufen sollte, in der Spezerei zum Rothen Crebs Misstrauen erregen würde. Ach, hätte ich doch nur etwas geahnt! Ich wäre im Nu zurückgekehrt und hätte gewiss nicht so lange mit dem Spezial disputiert, und noch weniger hätte ich mir vor der dummen Statuette des Tscherkessen das Hirn zermartert!»
«Dann …», murmelte ich, «dann war also Opalinskis ganze Trauer über Kolomans Tod …»
«Die Wahrheit hat oft etwas Unglaubliches, ich weiß», sagte Penicek. «Dieser Teufel ist ein kaltblütiger Schauspieler! Doch eines Tages wird Gottes Strafgericht ihn ereilen. Ein Herz steht still, wenn Gott es will.»
«Darum hat Jan oder Andreas oder wie zum Henker er sich nennt, anfangs nicht erschrocken auf die Verbrechen reagiert!», rief ich aus. «Von wegen mutiger Pole!»
«Glàwari wusste genau», fügte Penicek hinzu, «dass Euer Verdacht bei der vierten Leiche unvermeidlich auf die Überlebenden fallen würde. Also auf ihn oder mich. Und er hatte alle notwendigen Vorkehrungen getroffen. Als Ihr Kolomans Tod zufällig um kurz nach drei Uhr nachmittags entdeckt habt, hatte der Herr Schorist schon vermutet, er könne unglücklicherweise aus dem Fenster gefallen sein. Dieser unvorhergesehene Zwischenfall hat Glàwari aus dem Konzept gebracht, also sah er sich gezwungen, mich direkt zu beschuldigen. Doch Ihr müsst bedenken: Er war der Einzige von uns, der die ganze Zeit wusste, wo Koloman sich versteckte.»
«Aber Allmächtiger Gott, warum denn nur?», fragte ich verwirrt.
«Ich habe es Euch doch gesagt: Er wollte wissen, wer hinter Euch steckt. Deswegen hat er alle Kameraden getötet, an denen der Herr Schorist besonders hing. Nur Hristo hat alles durchschaut, und darum ist er gestorben. Und er hatte begriffen, dass es unvorsichtig war, vor der ganzen Gruppe zu sprechen.» Der junge Böhme lachte hysterisch, dann seufzte er: «O Hristo! Aus unserem Leben bist du gegangen, in unserem Herzen bleibest du!»
Simonis und ich warfen uns einen raschen Blick zu. Der Pennal sprach weiter:
«Die Fährte, die zu den Türken führt, war reine Zeitverschwendung. Hinter dem Goldenen Apfel verbirgt sich gar nichts, es ist eine türkische Bezeichnung für Wien, mehr nicht.»
Diese Worte erschütterten mich, gleichzeitig ging mir ein Licht auf. Ich hatte richtig vermutet: Es gab wirklich eine
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