Veritas
Feldherren. Das hat einen einfachen Grund: Eugen hinterließ keinen einzigen persönlichen Brief. Seine Korrespondenz behandelt ausschließlich Krieg, Diplomatie und Politik. Auch in den Archiven berühmter Zeitgenossen, die mit ihm korrespondierten, findet man keine Spur privater Mitteilungen. Eine persönliche, intime Seite hat es in Eugens Leben scheinbar nicht gegeben. Einzig das eiserne Antlitz des Soldaten, Diplomaten und Staatsmanns ist uns überliefert. Eine geradezu unmenschliche Heldengestalt, die Gefühlen, Schwächen oder Zweifeln nicht den geringsten Raum lässt.
Frauen? Keine scheint diesen kriegslüsternen Monolithen je angerührt zu haben. Eugen, der einer der reichsten und angesehensten Männer seiner Zeit war, mithin auch eine begehrte Partie gewesen sein musste, war nie verheiratet. Zwar werden einige Frauen mit ihm in Zusammenhang gebracht, allen voran die Gräfin Eleonore Batthyany, die etwa ab 1715 als seine «offizielle Geliebte» galt. Doch auch dem, was von ihrem Briefwechsel mit Eugen erhalten ist, lässt sich kein Hinweis auf eine intime Beziehung entnehmen. Vielleicht war das weibliche Geschlecht Eugen eher nützlich als angenehm: Es scheint belegt zu sein, dass er, wie der Schornsteinfeger im Dezember 1720 schreibt, die Gräfin Pálffy, Josephs junge Geliebte, in der Himmelpfortgasse (also in der Nähe seines eigenen Palais) unterbrachte, um sie kontrollieren und ausnützen zu können (vgl. Max Braubach, Prinz Eugen von Savqyen , Wien 1964, Bd. 3, S. 21 f.).
Gewiss ist dagegen, dass Eugens französische Kindheit und Jugend ungeordnet verlief, dass er wenig Erziehung genoss, ja, vernachlässigt aufwuchs. Der englische Historiker Nicholas Henderson schreibt: «Fest steht, dass es in Eugens früher Jugend Schattenseiten gab. Er hatte Umgang mit einer kleinen Gruppe Effeminierter, zu der verkommene Subjekte wie der junge Abbé De Choisy gehörten, der immer in Mädchenkleidern herumlief, gelegentlich aber auch extravagante Ohrringe und Perücken für reife Frauen trug» (N. Henderson, Prince Eugen of Savoy , London 1964, S. 21). Aus Briefen der Schwägerin Ludwigs XIV, Liselotte von der Pfalz, der Gräfin von Orléans, geht hervor, dass die homosexuellen Abenteuer Eugens, von denen Atto Melani spricht, in diese Zeit fallen. Liselotte kannte Eugen schon persönlich, als er noch in Paris lebte. Ihrer Tante, der Kurfurstin Sophie von Hannover, erzählt sie, dass Eugen Spitznamen trug wie Simone oder Madame l’Ancienne; dass der junge Savoyer in Beziehungen zu Gleichaltrigen als «die Dame agierte»; dass er bei seinen erotischen Streifzügen vom Prinzen De Turenne begleitet wurde; dass die beiden als «zwei gemeine Huren» galten; dass Eugen sich niemals um eine Dame bemüht habe, da ihm «ein paar schöne Pagen» lieber waren; dass die kirchliche Laufbahn, die er gerne eingeschlagen hätte, ihm wegen seiner «Entartung» verweigert wurde und dass er die «Kunst», die er in Paris gelernt hatte, vielleicht nur in Deutschland vergessen würde.
Obwohl sein umfangreiches Werk über das Leben und die Taten des großen Heerführers fünf Bände umfasst, widmet Max Braubach, Eugens wichtigster Biograph, Liselottes Briefen wenig Raum. Ein anderer Historiker, Helmut Oehler, gibt die heiklen Ausdrücke aus diesen Briefen wieder, begründet sie jedoch ausschließlich mit Liselottes persönlichem Ressentiment gegen Eugen: Zum Zeitpunkt der Entstehung dieser Briefe (1708-1710) widersetzte der italienische Feldherr sich dem Frieden zwischen den europäischen Mächten und Frankreich, ein Frieden, den Liselotte jedoch – angesichts der dramatischen Notlage, in der Ludwig XIV. sich befand – inbrünstig ersehnte. In Wirklichkeit verhält es sich ein wenig anders: Liselotte schreibt noch Jahre nach dem Ende des Krieges sehr deutlich über Eugens Homosexualität.
Es drängt sich allerdings der Verdacht auf, dass Oehler selbst nicht ganz unparteiisch ist. Wenn er nämlich von einem anderen Kritiker Eugens berichtet, dem holländischen Grafen De Mérode-Westerloo, der einige ätzende Bemerkungen über den Heerführer gemacht hat, spricht er eine deutlich andere Sprache und bezeichnet De Mérode-Westerloo als «Besserwisser», «Scharlatan», «Salonschwätzer», «Parasit», «verwerfliches Individuum», das «ein nutzloses Leben führte» und dessen Memoiren von nichts anderem als von «Altersdemenz» zeugten. Schließlich erklärt Oehler sogar, er habe einige Passagen aus den Memoiren des holländischen
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