Veritas
Zivilbevölkerung bei der Verteidigung der belagerten Stadt in Zweifel zu ziehen und daraufhin von dem empörten Aufschrei eines Chores aus Journalisten, Politikern und Universitätslehrern zum Schweigen gebracht wurde, ja dass es diesbezüglich sogar Eingaben im Stadtparlament gegeben hatte.
Keine Erfindung ist auch Kolomans Erzählung von der großen Vielfalt an Fischen, die damals nach Wien gelangten. Das änderte sich erst in den achtziger Jahren des 18. Jahrhunderts, als Kaiser Joseph II. viele Klöster schließen ließ – sie hatten zu den Hauptlieferanten guter Fische gehört – und eine ganze Reihe religiöser Feiertage mit gebotenem Fasten abschaffte: Die Fischrezepte, die entstanden waren, um dieses Fastengebot zu umgehen, gerieten in Vergessenheit. Bald schon kam unter den Wienern ein Spruch aus elisabethanischer Zeit auf, mit dem die Protestanten die Katholiken indirekt verspotteten: «Er ist ein anständiger Mensch, er isst keinen Fisch.»
Das Bierbeisl «Zum Gelben Adler», in das Simonis Atto und den Schornsteinfeger am Morgen des sechsten Tages führt, wurde auch «Griechenbeisl» genannt und lag auf dem Fleischmarkt, nach dem die heutige Straße benannt ist. Das Lokal, das immer noch in Betrieb ist, wurde wegen der Legende bekannt, der zufolge Augustin, der Bänkelsänger, während der Pest von 1679 hier sein berühmtes «O, du lieber Augustin, alles ist hin …» komponierte.
Das Kaffeehaus «Zur Blauen Flasche» existierte wirklich und war das erste Lokal mit offiziell genehmigtem Kaffeeausschank.
Das Wirtshaus «Zum Haimböck» gibt es noch immer. In dem bei den Wienern sehr beliebten Buschenschank, der heute Zehner Marie heißt, isst man sehr gut. Den neuen Namen, der die Hausnummer mit dem Namen der schönen Wirtstochter verbindet, erhielt er in der Mitte des 18. Jahrhunderts.
Leider wird er heute nicht mehr, wie damals, von schönen Weinbergen, sondern von hässlichen Mietshäusern umgeben. Will man die Natur genießen, wie sie von dem Schornsteinfeger beschrieben wird, muss man, wie er es am sechsten Tag tut, bis zu dem Hügel «Am Predigtstuhl» fahren, der heute Wilhelminenberg genannt wird.
Dass die Weine aus Stockerau von schlechter Qualität waren, wie Cloridia weiß, erfahrt man aus einem Almanach für das Jahr 1711, nämlich dem Crackauer Schreib- Calender auff das Jahr nach Christi Geburt M . CC . XI durch M . Johannem Gostumiowsky , in der Hochlöbl . Crackauerischen Academia Phil . Doct . Ordinarium Astrologiae Professorem , und Königlichen Mathematicum , Cracovia 1710.
Die Theorie, die Atto dem Schornsteinfeger darlegt, nach der die Habsburger von den römischen Pierleoni abstammen, entspricht in jedem Punkt den alten Traktaten über Heraldik, die im Wien des 18. Jahrhunderts große Mode waren. Das Gleiche gilt für die wenig ruhmvollen Taten der römischen Familie (vgl. z. B. Eucharius Gottlieb Rynck, Leopolds des Grossen Römischen Kaysers wunderwürdiges Leben und Thaten aus geheimen Nachrichten eröffnet und in vier Theile getheilet , Leipzig 1709,1, 9 ff).
Die in den Wiener Hausmauern steckenden Kugeln aus den türkischen Kanonen, die Ugonio stehlen und wiederverkaufen wollte, sind noch heute an den Stellen in der Stadt zu sehen, die der Heiligenfledderer aufzählt.
Der Neue Crackauer Schreib-Calender , durch Matthias Gentilli , Conte Rodari , von Trient , Krakau 1710, also der Almanach für das Jahr 1711, aus dem der Schornsteinfeger die Zählung der seit Christi Geburt vergangenen Jahre vorliest, befindet sich in der Wiener Stadt- und Landesbibliothek.
Die Legende des Tekuphah ist authentisch. Vollständig nachzulesen ist sie bei W Hirsch, Entdeckung derer Tekuphot , oder Das schädliche Blut , Berlin 1717.
Den Tatsachen entspricht auch die Beschreibung des Quartierrechts, die Simonis gibt. Siehe Joseph Kallbrunner (Hg.), Wohnungssorgen im alten Wien . Dokumente zur Wiener Wohnungsfrage im 17 . und 18 . Jahrhundert , Wien/Leipzig 1926.
Die Aufzählung der Verstorbenen des Tages, die Atto sich aus dem Wiennerischen Diarium vorlesen lässt, stimmt genau mit der Liste überein, die tatsächlich in der Nr. 803 vom 11.-14. April der Zeitung erschien. Die Statistiken über die Toten des Jahres 1710, von denen der Schornsteinfeger erzählt, werden durch den Wiener Corriere Ordinario vom 7. Januar 1711, Zusatzblatt, bestätigt. Das Gleiche gilt für die Statistik der Todesfälle in Rom im selben Jahr (siehe: Francesco Valesio, Diario di Roma , Bd. IV, 1710, S. 368
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