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Veritas

Titel: Veritas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesco Rita & Sorti Monaldi
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vielen ganz und gar absonderlichen, unterschiedlichen Gebäuden fast wie eine kleine Stadt erschien. Sie war weit mehr als eine Villa mit Park.
    Frosch geleitete uns die Wendeltreppe hinab. Zum ersten Mal bemerkte ich, dass sie zwischen zwei weiteren Bauten an der kleinen Hochebene lag, auf welcher das Schloss thronte und sich so von dem umliegenden Gelände abhob. Aus den Fenstern, die sich im Treppenschacht nach draußen öffneten, erspähte ich endlich die nach Norden gewandte Hinterseite des Ortes Ohne Namen: ein lieblicher italienischer Garten. Eine kleine Allee führte mitten hindurch zu einem großen, rechteckigen Fischteich, auf welchem friedlich Wasser- und Sumpfvögel schwammen. In diesem Garten gab es nun nichts Orientalisches mehr. Jenseits des Fischteiches öffnete er sich sogar auf teutonisches Wiesenland, eine Freude für jeden Jäger, und noch weiter entfernt auf nördliche Wälder, schweigende grüne Kathedralen, durchsetzt mit Vogelrufen, reich an Wildbret, Pilzen, Harz und duftenden Moosen. Ganz in der Ferne erblickte man Wien, mächtig und reglos, mit seinen unbesiegten Mauern.

    Einen Abschiedsgruß grunzend, ließ der Wächter uns allein.
    Wir begannen mit einem Gebäude, das Frosch uns als die einstige Küche vorgestellt hatte. Ohne Schwierigkeiten fanden wir die alten Rauchabzüge.
    Welch große Gegensätze bot der Ort Ohne Namen hinter seinen Mauern!, dachte ich, während ich, den Kopf im Leinensack, durch den ersten Abzug nach oben kletterte. Wer mochte dies alles ersonnen haben? War es jener Kaiser Maximilian II., von dem ich nichts wusste, oder ein begabter Bauherr in seinen Diensten? Was bedeutete diese Vereinigung widerstreitender Elemente? Oder war es nur eine Laune des Geschmacks gewesen? Und warum, fragte ich mich zum wiederholten Male, war dieser geheimnisvolle Ort verlassen worden?
    Nachdem ich meine erste, oberflächliche Erkundung abgeschlossen hatte, stieg ich schnell wieder zu meinen beiden Gehilfen hinunter.
    «Wir werden ordentlich schuften müssen; dort oben ist der Abzug voller Risse», berichtete ich Simonis und dem Kleinen. «Wenn hier alles in einem solchem Zustand ist, tun wir zuvörderst gut daran, eine Karte mit allen Rauchabzügen und einen Rapport über ihre Beschaffenheit anzufertigen. So können wir berechnen, wie viel Mann Verstärkung wir für die Instandsetzung brauchen. Lasst uns einen Imbiss nehmen, dann fahren wir mit der Ortsbesichtigung fort!»
    Nach diesen Worten schickte ich den Kleinen zum Karren, dass er den Quersack mit den Speisen hole.
    «Rache.»
    «Entschuldigung, Simonis?»
    «Rache ist die Antwort auf Eure Fragen, Herr Meister. Der Ort Ohne Namen wurde aus Rache erbaut, und es war Rache, die ihn zerstörte. Ein unauslöschlicher Hass durchtränkt diese Stätte, Herr Meister.»
    Ein Schauer lief mir den Rücken hinunter. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass Simonis auf meine unausgesprochenen Fragen antworten würde.
    «Er war ein Nachfolger Christi, ganz einfach, und die Imitatio Christi sein Lebensprinzip. Doch das Schicksal wollte, dass er in einem Zeitalter regierte, in dem die falsche Lehre Luthers die Christen und die Nationen spaltete», hub Simonis an.
    «Von wem sprichst du?»
    «Der Christ kämpfte gegen den Christen, beide bewaffnet mit dem Wort Gottes», fuhr der Grieche fort, ohne auf mich zu achten, «und die Habsucht beider Seiten war wie Öl auf den Flammen des Krieges. Zur großen Freude der Ungläubigen wurden die alemannischen und flämischen Länder von dem Zwist zwischen Katholiken und Protestanten zerrissen, während die Heilige Kaiserliche Majestät – deren Macht sich seit Jahrhunderten auf die Versammlung der Reichsfürsten stützte, aber auch auf die Investitur durch den Papst – mit großer Mühe die Orthodoxie des christlichen Glaubens verteidigte.»
    Ich öffnete den Quersack, den mir der Kleine gebracht hatte, und nahm das Frühstück heraus. Langsam begann ich zu verstehen, wen Simonis meinte.
    «Er sollte den Kaiserthron nicht einmal besteigen. Kaiser Karl V., der Bruder seines Vaters Ferdinand L, hatte seine Länder aufgeteilt. Bevor er sich ins Kloster zurückzog, teilte er Ferdinand I. die spanischen Territorien zu und seinem Sohn, Philipp II., Österreich und die Kaiserkrone. Aber einen so katholischen Kaiser wollten die deutschen Kurfürsten nicht, und sie riefen mit lauter Stimme nach dem jungen Maximilian, denn ihn wollten sie krönen. Sie hegten ehrgeizige Pläne und glaubten, er sei der rechte Mann für

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