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Veritas

Titel: Veritas Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesco Rita & Sorti Monaldi
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doch er drückte sich in einer mir unbekannten Sprache aus, ich kann nicht einmal sagen, ob es europäisch oder asiatisch war. Er hatte eine brummende, hohle Stimme, vielleicht lag das am Alter oder an seiner schlechten Aussprache, ich weiß es nicht. Das Merkwürdige ist, dass die einzelnen Worte zwar unverständlich waren, ich ihren Sinn aber trotzdem verstand.»
    «Und worüber sprach er mit dem Derwisch?»
    «Über den Kopf eines Mannes. Der Derwisch will ihn um jeden Preis.»
    «Gnädiger Himmel!», rief ich aus. «Sie planen einen Mord! Wen wollen sie töten?»
    «Leider habe ich das nicht verstanden, vielleicht hatten sie es schon gesagt, bevor ich ankam. Wahrscheinlich handelt es sich um eine angesehene Person, jedenfalls hatte ich den Eindruck, dass der Derwisch und seine Kumpane sie dafür ansehen.»
    «Und der Kopf? Wann hoffen sie, ihn zu … erhalten?»
    «Das genau ist es, was Ciezeber den Besucher gefragt hat. Der hat versprochen, sich der Sache anzunehmen und schon heute Abend oder morgen die ersten Neuigkeiten zu überbringen.»
    Mein Gemüt, wiewohl schon arg beschwert von der Erkenntnis, ein weiteres Mal das Werkzeug der Verschwörungspläne des Abbé Melani geworden zu sein, wurde erneut erschüttert. Cloridia und ich hatten recht vermutet: Die türkische Ambassade war nicht in diplomatischer Mission nach Wien gekommen, sondern wegen eines finsteren, blutrünstigen Plans.
    Lange schon hatten wir den Linienwall und Matzelsdorf mit seinen idyllischen Häuschen, in deren Innerem sich freigebige Wirtshäuser verbargen, hinter uns gelassen.
    Wir hatten die Straße nach Simmering eingeschlagen, und wenn der Wechsel von Höhenzügen und Hügeln es erlaubte, zeigte sich in der Ferne das erhabene Panorama der von mächtigen Mauern umgürteten Stadt.
    Ciezeber behielt seinen Marschrhythmus in aller Ruhe bei, auch an Weggabelungen zögerte er keinen Augenblick; er schien keinerlei Zweifel am Ziel seiner Expedition zu haben.
    «Du sagtest anfangs, du wissest, wohin er geht», erinnerte ich Cloridia.
    «Am Ende des Gesprächs mit dem mysteriösen Gast habe ich gehört, wie Ciezeber verkündete, er werde sich an einen weit entfernten, einsamen Ort begeben. Also wahrscheinlich in einen Wald, denn an Wäldern mangelt es Wien nicht.»
    Wir sahen uns an: einer jener zum Beispiel, wie sie in der Umgebung des Ortes Ohne Namen lagen. Auf welchen wir nämlich, das war inzwischen eindeutig, schnurstracks zuwanderten.

    Bald schon wichen die Felder den grünen Flecken aus Eichen und Lärchen, Tannen und Rotbuchen, die den Ort Ohne Namen umgaben. Wir gingen über einen Pfad, der auf eine kleine Anhöhe in der Nähe von Maximilians Schloss führte und von wo aus man die ganze Anlage mit einem Blick erfassen konnte. Mit jedem Schritt wurde die Vegetation dichter und üppiger.
    Wer ihn nie gesehen hat, kann sich nicht vorstellen, wie fruchtbar und gesegnet der Wienerwald ist. Lässt man die mit Wein und Gemüse bebauten Hügel hinter sich und taucht endlich unter das einladende Dach der breiten Baumkronen des Wiener Beckens, ist einem, als nähme eine gütige Mutter einen in ihrem Schoße auf. Sie lindert die Mühsal durch die Liebkosungen der Blätter und das Geflüster der Vögel und macht einem die Schritte auf weichem Laub und taubedeckten Flechten leicht.
    Wir befanden uns in jener Jahreszeit des Vorfrühlings, da der Waldboden dem Blick mit seiner smaragdgrünen Farbe schmeichelt und ein herzhaftes Küchenaroma die Vorstellungsgabe anregt. Was diese Empfindungen auslöst, ist ein Kraut, dessen Namen ich noch nicht kannte, das im April jedoch jeden Winkel des Wienerwaldes ausfüllt und mit seinem würzigen Odeur zur trügerischen Einbildung verfuhrt, gleich hinter dem nächsten Baum verberge sich ein Saibling im Kräutersud oder eine farcierte Schweinshaxe.

    Wir bahnten uns also einen Weg durch den Wald, dem Derwisch folgend, der immer noch nichts von unserer Gegenwart ahnte. Nach einer weiteren halben Stunde waren wir an der tiefsten Stelle des Waldes angekommen, und hier blieb Ciezeber endlich stehen. Hinter ihm erblickte man am Horizont die gewaltige weiße Silhouette des Ortes Ohne Namen. Unser Mann schien sich diesen Platz gerade wegen seiner Nähe zu Maximilians Schöpfung ausgesucht zu haben. War der Ort Ohne Namen den Türken nicht ohnehin lieb und teuer? Wir versteckten uns hinter einem großen umgestürzten Baumstamm und beobachteten den Derwisch.
    Er legte seinen Sack ins Gras und zog einige kuriose

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