Verküsst & zugenäht!
dass er aus demselben Holz geschnitzt war wie sein alter Herr.
Diese Erkenntnis traf ihn jetzt genauso hart wie in seiner Jugend. Statt also cool zu bleiben und Max’ Worte mit einem Schulterzucken abzutun, blaffte er: „Du weißt verdammt noch mal überhaupt nichts über mich, Bruder. Damals nicht, als du neun warst und aus dem Spielplatz eine Kampfzone gemacht hast, und ganz sicher heute nicht. Wann kriegst du es endlich in deinen Schädel, dass meine Mom und ich nichts dafür konnten? Genauso wenig wie diese andere Frau, wegen der er uns verlassen hat. Wenn es um Charlies Ehefrauen und Kinder geht, hat er die Aufmerksamkeitsspanne einer Fruchtfliege.“
Sein Halbbruder presste sich die Fingerknöchel auf die Stelle über der Nase, dann ließ er die Hand sinken, spreizte die Finger auf der zerkratzten Tischplatte, sah auf und stieß den Atem aus. „Yeah“, stimmte er zu.
Jake setzte sich ihm gegenüber. „Weißt du was?“, sagte er leise. „Darauf habe ich einfach keine Lust mehr. Ich habe auch so genug Probleme und versuche, alte Fehler wiedergutzumachen. Ich kann nur hoffen, dass ich es irgendwie hinkriege, meinen Sohn kennenzulernen, und habe wirklich nicht genügend Energie, mich mit dir zu streiten.“
Max sah ihn verblüfft an. „Dir ist schon klar, dass du mir gerade eine ganze Wagenladung Munition geliefert hast?“
Jake zuckte die Achseln. „Tu, was du tun musst – ich kann dich sowieso nicht davon abhalten. Ist doch scheißegal.“
„Sicher.“ Max verlagerte sein Gewicht. „Scheißegal. Wir sind schließlich nicht mehr auf der Highschool.“ Er sah ihn direkt an. „Komm bloß nicht auf die Idee, dass wir jemals Kumpel sein könnten, kleiner Bradshaw, aber ich komme damit klar, dir ab und zu über den Weg zu laufen.“
Jake musste bei „kleiner Bradshaw“ ein Grinsen unterdrücken. Der Spruch war gut. Er war eins zweiundachtzig groß, doch Max war eins neunzig und etwa zehn Kilogramm schwerer. „Tja“, sagte er, „ich bin überwältigt. Ich weiß gar nicht, wie ich mit deiner Begeisterung umgehen soll.“ Er schüttelte den Kopf, ihre Blicke trafen sich. „Nicht, dass ich vor Aufregung noch einen Herzinfarkt bekomme.“
„Da kann man nur hoffen.“
Ein Bierdeckel landete vor ihm auf dem Tisch. Als er aufsah, entdeckte er eine fröhliche junge Blondine. Sie schenkte ihm ein strahlendes Lächeln.
„Ja, hallo! Frischblut. Hab dich noch nie hier gesehen. Glaub mir, ich würde mich daran erinnern. Kann ich euch Jungs was bringen?“
„Ihm einen anderen Tisch“, sagte Max.
Jake lächelte die Bedienung an. „Mein Bruder ist so ein Witzbold.“
Sie sah zweimal hin. „Das ist nicht wahr, ihr zwei seid Brüder?“
„Halb“, erklärte Max. „Halbbrüder.“
„Halb, ganz, was ist der Unterschied?“ Jake hob eine Schulter. „Blut ist Blut, oder?“
Max starrte ihn düster an. „Lass gut sein, Jake – bevor ich auf die Idee komme, deins zu vergießen.“
„Wie du meinst, mein Bruder.“ Er zwinkerte der Blonden zu. „Bring dem alten Bradshaw hier noch ein Glas, was immer er auch trinkt, und ich nehme ein Fat Tire.“
„Ein Bud vom Fass und ein Fat Tire, kommt sofort.“
„Budweiser?“, fragte Jake. „Im Ernst?“
Max rollte die muskulösen Schultern. „Ist ein gutes amerikanisches Bier und hat keinen bescheuerten Namen. Himmel, ich könnte dir auch kostenlos ’ne dicke Lippe verpassen.“
„Das hast du, mehrfach, aber das Bier heißt Fat Tire und nicht Fat Lip, du Banause. Ich schätze, du kommst nicht oft aus diesem Kaff raus.“
„Warum sollte ich? Ich hab hier alles, was ich brauche.“
Jake erschauerte. Er würde sich die Pulsadern aufschneiden, wenn er auch nur eine Sekunde länger in Razor Bay bleiben müsste, als es dauerte, Austins Vertrauen zu gewinnen.
Die Bedienung kam mit ihrer Bestellung zurück, er fischte seine Geldbörse aus der Hosentasche, bezahlte und legte ein saftiges Trinkgeld auf ihr Tablett.
Max musterte ihn. „Merkt man gleich, dass du in einer Großstadt lebst.“
„Wieso? Weil ich anständiges Trinkgeld gebe?“
Sein Halbbruder runzelte die Stirn. „Ich gebe auch anständiges Trinkgeld. Vielleicht nicht gerade fünf Dollar für zwei Bier, aber Trinkgeld. Ich meinte allerdings diese metrosexuelle Ausstrahlung.“
„Das ist doch nicht dein Ernst!“ Jake wusste zwar die Vorzüge einer Großstadt zu schätzen, war in seinem Leben jedoch mit Sicherheit noch nie zur Maniküre gegangen oder hatte eine Gesichtsbehandlung
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