Verlangen
Ältesten versucht, den winzigen Spalt zwischen dem Zwielicht und eurer Welt zu verschließen, aber das ist nicht machbar, Lyssa. Wir können nur Schadensbegrenzung betreiben.«
Und sie hatte sich eingebildet, Expertin für Träume zu sein, nachdem sie ein Leben lang mit ihren eigenen gerungen hatte. Wie wenig sie doch wusste.
»Wir schlagen zurück, so gut wir können, um euch zu beschützen«, fuhr er fort. »Wir sind zu Phantasmen geworden und nehmen Gestalt und Nuancen jedes individuellen Unterbewusstseins an.«
Lyssa dachte eingehend darüber nach und fragte dann: »Warum muss ich all das erfahren? Ich gehe davon aus, dass die meisten Menschen es nicht wissen?«
»Die meisten Menschen wissen nichts davon«, stimmte er ihr zu. »Aber du bist stärker als die meisten. Du erkennst sämtliche Verkleidungen, und du kannst uns aussperren, wenn du willst. Ich bin aufgefordert worden, dich zu überzeugen, dass du das Tor öffnest. Da du verstehst, dass dies ein Traum ist, was selten vorkommt, wenn es auch nicht einmalig ist, habe ich beschlossen, Klartext mit dir zu reden.«
»Sie wollen einfach nur reinkommen und sich umsehen, um festzustellen, ob hier irgendwelche Albträume lauern? Ist das denn nicht deine Aufgabe?«
Aidan schwieg einen Moment lang und sagte dann: »Sie s uchen jemanden, Lyssa. Sie sind nicht sicher, wen sie suchen , aber es gibt bestimmte Merkmale, die Alarm auslösen. Du weist einige dieser Merkmale auf. Ich mache mir Sorgen, dass zu viele Jahre der Suche bei den Ältesten zu Übereifer geführt haben. Ich will, dass du vorsichtig bist, wenn sie dich besuchen. Es wäre mir lieber, wenn du so wenig wie möglich preisgibst, ohne argwöhnisch zu erscheinen. Ich sage dir das, weil ich möchte, dass du vorbereitet bist.«
Sie nickte. »Okay. Wir sollten uns ein geheimes Signal oder so was einfallen lassen. Falls ich anfange, zu viel zu reden, kannst du mich warnen.«
»Lyssa …« Er schnappte hörbar nach Luft.
Als Aidan nicht weitersprach, rebellierte ihr Magen, denn es war so vielsagend.
Er würde nicht zurückkommen.
»Ich verstehe.« Sie hatte seine Könnerschaft in seinen Berührungen gefühlt und in seinen Küssen gekostet, und sie hätte ihn auf der Stelle bewusstlos gevögelt, wenn sie nicht ein paar Minuten gebraucht hätte, um sich zu erholen. Der Mann kannte sich mit dem Körper einer Frau aus. »Ist das Verführen Teil deiner Arbeit?«
Seine Mundpartie spannte sich. »Manchmal.«
Der stechende Schmerz, den sie in der Brust spürte, ließ sie zusammenzucken. »Ein Liebhaber und ein Kämpfer.«
»Ein Krieger«, korrigierte er sie grimmig.
»Ein Mann mit vielseitigen Begabungen.« Lyssa stieß den Atem aus, rollte sich zur Seite und kroch an den Bettrand, wobei sie ihre bebende Unterlippe vor ihm verbarg. »Mach schon. Sag ihnen, dass ich sie reinlassen werde.«
Sie fühlte, dass er sich hinter ihr bewegte, und dann lagen seine großen Hände auf ihren Schultern. Im nächsten Moment waren seine Lippen auf ihre Haut gepresst. Sie riss sich los, verließ das Bett und wünschte, es gäbe einen Bademantel oder etwas anderes, womit sie sich bedecken konnte. Zu ihrem Erstaunen tauchte auf dem Stuhl neben der Tür ein Bademantel auf, und sie schnappte ihn sich, ehe sie vor die Tür ging …
… wo die Sonne auf einen Sandstrand schien. Sie erstarrte vor Verblüffung und konnte sich im ersten Moment nicht von der Stelle rühren. Erst als sie Aidan näher kommen hörte, setzte sie sich schleunigst in Bewegung.
Sie malte sich eine Bar mit einem strohgedeckten Dach etwas weiter hinten am Strand aus und lief rasch darauf zu. Sie brauchte einen Drink. Ganz dringend. »Ich glaube, jetzt habe ich den Dreh mit dem Träumen raus. Danke für deine Hilfe.«
»Vielleicht war es Furcht, die dich zurückgehalten hat«, sagte er hinter ihr, denn er folgte ihr weiterhin. »An irgendeinem Punkt müssen dir die Albträume echte Angst eingejagt haben. Du hast die Sicherheit tiefen Dunkels und das Tor über deinen Träumen gewählt.«
»Es ist gut, das zu wissen. Ich schätze mal, ich bin geheilt.« Als er sich vor ihr materialisierte, schrie sie auf und sprang mit einem Satz zurück. »Verdammter Mist, du hast mir einen tierischen Schreck eingejagt. Tu das bloß nicht noch mal!«
Starke Gefühle, die sie nicht identifizieren konnte, brodelten in Aidans finsterem Blick. »Wende dich nach dem, was wir gerade getan haben, nicht von mir ab.«
Diese schlichte Anweisung löste ein Flattern in ihrem Bauch
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