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Verlangen

Verlangen

Titel: Verlangen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sylvia Day
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aus, das sich zu einem ausgewachsenen Schauer akuter Wachsamkeit ausweitete. Sie wünschte sich nichts anderes auf Erden – sowohl in dieser Welt als auch in ihrer eigenen –, als sich von ihm umarmen zu lassen und sich geborgen zu fühlen, während sie all das in ihrem Verstand ordnete. Aber sie empfand Dinge, die sie nicht empfinden sollte. Sehnsucht, Besitzansprüche, Verlangen … es würde nur schlimmer werden, je länger er blieb. »Was willst du von mir, Aidan? Was soll ich tun?«
    Als sie ihn bei seinem Namen nannte, flackerte Glut in seinen Augen auf. »Komm wieder rein. Wir haben noch Zeit.«
    »Nein.« Ihre Stimme bebte stärker, als ihr lieb war. Obwohl sie einander erst so kurz kannten, war er ihr ein Trost gewesen, ihr Fels in der Brandung. Ihn zu verlieren würde schmerzhaft sein. Es tat jetzt schon weh. »Es wäre besser, wenn du jetzt einfach fortgehst.«
    »Warum?«, fragte er durch zusammengebissene Zähne.
    »Ich stehe nicht auf Mitleidsficks.« Sie hörte tatsächlich, wie seine Zähne knirschten, und sie war froh darüber. Ihr Gefühlsleben war total aus dem Gleichgewicht geraten, und es war nur fair, wenn es auch ihm so erging. »Ich habe mich im Lauf der letzten Jahre, wie viele auch immer es waren, durchaus selbst schützen können. Ich kann es nicht gebrauchen, dass du mich ins Zwielicht vögelst oder was auch immer das ist, was du tust.«
    Seine Nasenflügel blähten sich. »Du bist aufgebracht. Das kann ich nachfühlen. Aber du weißt, dass das nicht der Grund für den Sex war.«
    »Ach, weiß ich das? Hmm …« Sie malte sich ihre Bar mit dem Strohdach in der entgegengesetzten Richtung aus.
    »Lyssa …« Seine Hand packte sie so fest, dass sie gezwungen war, mit einem scharfen Ruck stehen zu bleiben.
    »Lyssa! Um Himmels willen, wach auf!«
    Heftiges Schütteln ließ sie die Stimme ihrer Mutter und ihr taupefarbenes Wohnzimmer wahrnehmen.
    »Schon gut, schon gut«, murmelte sie und rieb sich die Augen.
    Ihre Mutter war über sie gebeugt. »Meine Güte, Lyssa! Du hast mich zu Tode erschreckt.«
    »Was?«
    »Du hast knapp vierundzwanzig Stunden durchgeschlafen, ohne auch nur einen Muskel zu bewegen. Ich musste etwa jede halbe Stunde nach dir sehen, bloß um mich zu vergewissern, dass du überhaupt noch atmest!«
    Lyssa schloss die Augen, seufzte und streckte sich. Dabei stellte sie fest, dass jeder Muskel in ihrem Körper schmerzte, weil sie stundenlang in derselben Haltung dagelegen hatte.
    »Ich habe letzte Nacht in deinem Bett geschlafen, weil ich Angst hatte, dich allein zu lassen.«
    Ihre Mutter hatte die meiste Zeit ihres Lebens Wirbel um sie veranstaltet und ihr einen Anstoß nach dem anderen gegeben, weil sie vergeblich nach einer körperlichen Heilung für etwas suchte, von dem Lyssa schon immer den Verdacht gehabt hatte, es sei ein seelisches Leiden.
    »Mir fehlt nichts, Mom.« Und zum ersten Mal seit Jahren hatte sie wirklich das Gefühl, es sei wahr. Sie war nicht sicher, warum sie dieses Gefühl hatte; sie wusste es ganz einfach. Als hätte sich etwas geregelt oder gelöst. Als sei eine Frage, die sie schon sehr lange hatte, beantwortet worden. »Wie spät ist es?«
    »Kurz nach acht.«
    »Igitt!« Lyssa warf die Chenilledecke von sich und stand mit einer Grimasse auf. »Wenn ich mich nicht gleich in Bewegung setze, komme ich zu spät für meinen ersten Patienten.«
    »Wie zum Teufel kannst du auch nur daran denken, arbeiten zu gehen, wenn du vor einer Minute noch vor dich hinvegetiert hast?« Die Wirkung der Arme, die ihre Mutter vorwurfsvoll in die Hüften gestemmt hatte, wurde durch das vom Schlaf zerzauste Haar ruiniert.
    »Meine Arbeit ist alles, was ich noch habe, Mom. Ich lasse nicht zu, dass sie gemeinsam mit meiner Gesundheit und meinem Liebesleben vor die Hunde geht.«
    »Ich rufe deinen Arzt an und sage ihm, dass er weitere Untersuchungen durchführen muss.«
    Lyssa war bereits auf halber Höhe der Treppe. »Das kommt gar nicht in Frage.«
    »Wenn du nicht in eine Untersuchung einwilligst, lasse ich dich nicht zur Arbeit gehen.«
    »Mom …« Sie blickte finster die Treppe hinunter, doch die sture Haltung des mütterlichen Kinns sagte ihr, dass jede Diskussion zwecklos war. »Also gut«, gab sie widerwillig nach, »aber du musst mir auch Kaffee kochen.«
    Nach einer Dusche und drei Tassen javanischem Kaffee fuhr Lyssa forsch aus ihrer Eigentumswohnanlage. Es war immer noch ein wenig neblig und grau im Tal, und in der Luft hing eine leichte Kühle, die belebend auf

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