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Verlangen

Verlangen

Titel: Verlangen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sylvia Day
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Haiden verließ und die Stufen zu dem offenen Innenhof hinunterstieg.
    Von allen Seiten starrten ihn Wächter in Freizeitkleidung an, einige verstohlen, andere ganz offen. Er hatte gegen ein Gesetzverstoßen,gegendasseit Jahrhunderten niemand verstoßen hatte, und alle wollten wissen, worin die Strafe für ein derart schweres Vergehen bestand.
    Mit einem Sprung entfernte er sich und schwebte rasch durch das dunstige Zwielicht zu dem rötlichen Schimmer, der die Gipfel einer fernen Gebirgskette erleuchtete. Wie immer war Aidan dankbar für die stundenlange Reise. Sie gab ihm Zeit, seine Gedanken zu sortieren und dann ordentlich wegzuräumen. An der Pforte konnten Wächter an nichts anderes denken als daran, dass ihnen die Glefen bloß nicht entglitten, während sie die Schmerzen in ihren Muskeln, die vor Erschöpfung brannten, ignorierten. In den nächsten zw ei Wochen hatte er herzlich wenig Ruhe und Nahrung zu erwarten. Von sämtlichen Wächtern, die sich den Rängen der Elitekrieger anschließen wollten, wurde verlangt, dass sie einen Monat an der Pforte verbrachten. Die große Mehrheit scheiterte an dieser Aufgabe.
    Einmal in jedem Jahrhundert kehrte er dorthin zurück, wie es sämtliche Elitekrieger taten, um sich in Erinnerung zu rufen, wie lebensnotwendig ihre Aufgabe war. Die Länge des Aufenthalts beschränkte sich auf ein paar Tage, gerade lange genug, um sie in ihrem Vorhaben zu bekräftigen, aber nicht lange genug, um sie die Hoffnung verlieren zu lassen.
    Zwei Wochen würden ihm wie eine Ewigkeit erscheinen.
    Er legte eine kurze Rast auf dem Gipfel ein und starrte auf die Gräuel hinunter. Das gewaltige Tor zum Äußeren Reich beulte sich nach innen aus, weil es ein solcher Kraftakt war, die Albträume fernzuhalten. Ein schmaler roter Sprung zeigt e, wie stark das Portal an den Angeln und am Schloss beansprucht wurde. Schwarze Schatten flossen wie Wasser durch diese winzige Öffnung, ergossen sich hinaus und infizierten das Zwielicht um die Pforte herum, bis sich am Boden Lava spuckende Pusteln bildeten. Tausende Wächter kämpften in einer endlosen Schlacht, und rubinrotes Licht ließ ihre Glefen blitzen, während sie unzählige Albträume niedermähten.
    Elend und Verzweiflung verbreiteten einen üblen Gestank. Sein Magen rumorte, aber auch das wurde aus seinen Gedanken verbannt. Während Aidan die steinige Klippenwand hinunterstieg und dabei eine Schneise durch die Flut von Schatten schnitt, versuchte er, die Schreie zu ignorieren, die die Albträume ausstießen, ehe sie zu Wolken widerlich riechender Asche zerstoben. Ihre Schreie waren schrill, beinahe ein Heulen, das nach dem Hilferuf eines Kindes klang. Es war ein grauenhaftes Geräusch, das einen Mann wahnsinnig machen konnte, und es dröhnte von allen Seiten auf ihn ein.
    Die Wächter auf der Talsohle bemerkten sein Nahen und nahmen den Kampf mit neuem Schwung wieder auf, da seine Gegenwart sie tröstete. Ihr Respekt zehrte Aidan aus, raubte ihm die Kraft und belastete ihn. Vor den anderen durfte er weder Furcht noch Hunger oder Erschöpfung zeigen, und die Energie, die erforderlich war, um diese Fassade aufrechtzuerhalten, überanstrengte ihn schon lange Zeit und laugte ihn restlos aus.
    Plötzlich war ihm der Plan entfallen, Lyssa in dieser Hölle zu vergessen. Stattdessen schwamm die Erinnerung an sie ganz oben, über allen anderen, ein leuchtender Hoffnungsschimmer, der Glück verhieß, bis er an nichts anderes mehr denken konnte als an sie und daran, dass er bei ihr er selbst sein und Trost finden konnte wie bei niemandem sonst. Sie war die Kraft hinter jedem seiner Glefenschwünge, jedem keuchenden Atemzug und jedem Knurren, das sich seiner Kehle entrang.
    Sie war die Hoffnung, die er lange Zeit für tot gehalten hatte, das Ziel, das es zu erreichen galt, der Traum, auf den er hinarbeitete. Es war nicht mehr der Schlüssel.
    Es war Lyssa .
    Die Tür wurde in gut geölten Angeln aufgestoßen. Es war ein nahezu lautloser Lufthauch, doch wie jeden Tag in den letzten zwei Wochen stellten sich die Haare in Lyssas Nacken auf, und ihre Muskeln spannten sich. Ihr ganzer Körper erwartete sehnsüchtig die Rückkehr des Mannes, der ihn so gründlich wachrüttelte, eines Mannes, der nie kam.
    Sie starrte auf ihren Zeichenblock hinunter und zwang sich, eine entspannte Haltung einzunehmen. Von hinten presste sich die Rinde einer Eiche an ihre Haut. Um sie herum wiegte sich eine grüne Wiese mit gelben, wild wachsenden Blumen sachte in einer zart

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