Verlangen
zu wehren. »Du wirst alles zerstören.«
»He, Ihr wart doch derjenige, der gesagt hat, ich ließe mein Volk im Stich. Dann kann mir doch egal sein, ob Ihr alle explodiert wie eine Supernova oder was zum Teufel sonst passiert! Ich werde auf der Erde sein, bei meiner Träumerin.«
»Du verfluchter Kerl.«
Aidan zog die Augenbrauen hoch. »Wofür entscheidet Ihr Euch?«
Sheron holte unwillig Luft und wies dann mit einer ruckhaften Geste ungeduldig auf die Bibliothek. Sowie sie in den riesigen Raum zurückgekehrt waren, begab sich der Älteste zu einem Regal mit uralten medizinischen Texten, zog etliche davon heraus und legte hinter ihnen eine kleine Tür frei. Als er sie öffnete, befand sich dahinter der Band, den Aidan suchte.
Aidan nahm das Buch aus Sherons ausgestreckter Hand, ließ es in den Beutel gleiten, den er um seinen Oberschenkel geschnallt hatte, und versiegelte ihn. »Gut. Gehen wir.«
Gemeinsam gingen sie in den Haiden hinaus, wo er einen leisen Pfiff ausstieß, der in einem wohlüberlegten Rhythmus anstieg und abfiel. Im nächsten Moment wurde sein Pfiff mit einem identischen beantwortet. Connor würde ihnen unauffällig folgen.
»Es gibt mehr als einen von euch«, sagte Sheron mit ausdrucksloser Stimme.
» Nein. Nur mich.« Aidan erreichte den äußeren der Inn enhöfe und sprang ins obere Zwielicht; den unwilligen Sheron zog er hinter sich her. Als sie rasch durch den Dunst schwebten, verwandte er alle Kraft darauf, so viel Tempo wie möglich aufzunehmen.
Als sie den See erreichten, wurde der Himmel allmählich dunkler. Aidan tauchte direkt in dem eisigen Wasser unter, das sich nicht erwärmte, obwohl er seine Willenskraft darauf verwandte. Neben ihm hielt Sheron still, damit sie das Wasser wie eine Klinge durchschneiden konnten. Es dauerte einen Moment, die Grotte zu finden, und dort tauchten sie keuchend auf.
Aidans erster Eindruck war der eines moosbedeckten schwarzen Felsens, doch bei näherem Hinsehen zeigte sich, dass es keine List war. Als er über einen schmalen Felsvorsprung hinaufkroch, zog er Sheron hinter sich aus dem Wasser. Sein Blick glitt rasch über die halbkreisförmige Computerkonsole, die mit einem einzigen äußerst verblüfften Ältesten in der Ausbildung bemannt war. An einem nahen Schreibtisch sprang ein anderer Auszubildender auf. Über ihren Köpfen blitzten Szenen wie Filme auf, flüchtige Einblicke in das weit geöffnete Bewusstsein von Tausenden hypnotisierter Menschen.
Er stand mit seiner klatschnassen Geisel auf und bewegte sich im schnellen Laufschritt auf die anderen Männer zu. Aidan stieß Sheron gegen den Mann am Schreibtisch, räumt e sich damit wirkungsvoll den Weg frei und befreite seinen Arm, um brutal zuzuschlagen.
Das ekelhafte Knacken, als seine Faust auf den Kiefer des Auszubildenden an der Konsole traf, war laut und hallte, was den anderen aufschreien und sich auf ihn stürzen ließ. Aidan ging in die Hocke, stieß sich gleich darauf mit Wucht vom Boden ab und schleuderte mit seinem ganzen Körper den Mann gegen die Felswand zurück, wo er so bewusstlos liegen blieb wie sein Partner.
Aidan ließ die Schultern kreisen, rückte seine Tunika zurecht und richtete den stahlharten Blick auf Sheron. »Macht Euch an die Arbeit.«
Gefasst begab sich der Älteste an die Konsole und setzte sich auf einen metallenen Drehstuhl, der im Steinboden verankert war. »Wir müssen ein Medium erwischen, wenn die Trance am tiefsten ist. Du wirst dich an sein Unterbewusstsein heften und in seine Daseinsebene tragen lassen. Sowie du dort bist, sollte die temporäre Störung, die durch dein Erscheinen ausgelöst wird, zu einem … Schluckauf in der Zeit führen. Eine kurze Pause, die es dir erlauben wird, den Schauplatz unbemerkt zu verlassen. So lautet jedenfalls die Theorie.«
»Die Theorie? « Aidan zog eine Augenbraue hoch. »Mehr habt Ihr nicht zu bieten?«
»Es ist ja schließlich nicht so, als hätte ich es selbst schon mal getan«, hob Sheron hervor.
Aidan nickte grimmig und fragte dann: »Besteht irgendwie die Möglichkeit, ein Medium zu wählen, das in ihrer Nähe ist?« Wenn er auf der anderen Seite von Lyssas Welt ankam, konnte es Tage dauern, zu ihr zu gelangen. Er würde nicht rechtzeitig bei ihr sein, ehe sie wieder einschlief. Die Vorstellung, dass Lyssa mit dem Hämmern an der Tür und dem guten Zureden, hinter dem böse Absichten steckten, allein fertigwerden musste, versetzte ihn in Wut und weckte Besitzansprüche und Gefühle, von denen er nie
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