Verlangen
Freie führte.
Er fragte sich, ob ihn jemand aufhalten und Fragen nach der Schwertscheide stellen würde, die er an der Seite trug, doch abgesehen von unverhohlen anerkennenden weiblichen Blicken schenkte niemand seiner Glefe Beachtung. Aidan umklammerte die Waffe so fest, dass die Knöchel weiß hervortraten, und sehnte sich nach dem tröstlichen Gefühl, das seine Hand auf dem Griff normalerweise in ihm hervorrief. Er fürchtete sich zwar nicht, doch er fühlte sich sehr allein.
Lyssa .
Eine Vielfalt von Gerüchen bestürmte ihn, einige angenehm, andere nicht. In Träumen wurde diese Fülle von Sinneseindrücken gedämpft oder überlagert. In der Wirklichkeit war das nicht der Fall. Die Geräusche dieser Welt waren zahlreich und drängten sich ihm auf, eine Kakophonie aus Stimmen und Geräten, die seine Übelkeit verstärkte. Ein verzweifeltes Bedürfnis nach Luft ließ ihn durch die gläsernen Türen auf die Straße wanken.
Aidan probierte den Knopf für die Alarmanlage an der Schlüsselkette aus und machte so den weißen Toyota Corolla ausfindig, ein älteres Modell, das innen verbraucht und nach Verbranntem roch. Als ihm klar wurde, dass der grässliche Gestank aus dem Aschenbecher kam, warf Aidan das ganze Ding aus dem Fenster. In Träumen hatte er nach dem Sex manchmal Zigaretten mit seiner Partnerin geraucht, doch ihm war nie enthüllt worden, wie widerlich diese Angewohnheit in Wirklichkeit war.
Alles in allem war sein erster Eindruck von der neuen Welt kein positiver, doch das führte nur dazu, dass er sich mit beißendem Hunger nach Lyssa sehnte.
Eine eingerissene Straßenkarte, endlose Einbahnstraßen und Fahrer, die nicht in ihrer Fahrspur bleiben konnten, machten den Weg zum Freeway anstrengend und nervenaufreibend, doch Aidan war wild entschlossen und zog sämtliche Erinnerungen zurate, die ihm Träumer im Lauf der Jahre übermittelt hatten, um voranzukommen.
Zur Frau seiner Träume.
»Das klingt wunderbar, Chad«, murmelte Lyssa ins Telefon, während sie geistesabwesend auf ihrem Notizblock in Welpengestalt herumkritzelte. »Wirklich. Aber das schaffe ich heute Abend nicht. Ich bin total erledigt.« Sie blickte zu der Uhr an der Küchenwand auf und sah, dass es sechs Uhr war.
»Okay, vergiss den Film. Ich werde etwas für uns kochen.«
Seufzend ließ Lyssa ihre verspannten Schultern kreisen und den Bleistift fallen, um sich den Nacken zu reiben. »Ein Abendessen klingt großartig, ganz im Ernst, aber es war ein so langer Tag, und …«
Das Läuten der Klingel unterbrach sie.
»Du arbeitest zu viel, Liebes«, schalt Chad sie sanft aus. »Du musst lernen zu sagen: ›Kommen Sie morgen wieder, ich habe einen Mann, der Zeit mit mir verbringen möchte.‹«
Sie lächelte. Er hatte so viel Geduld mit ihr und drängte sie nie, mehr zu geben, als sie bereit war. Zwei- oder dreimal hatte sie wirklich dicht davorgestanden, ihm anzubieten, über Nacht zu bleiben, aber sie konnte das Gefühl nicht abschütteln, dass irgendetwas … nicht ganz stimmte .
Hatte sie mittlerweile Furcht vor Intimität entwickelt? Machte die Gewissheit, dass sie kein reifes Alter erreichen würde, sie skeptisch und reserviert?
»Der Postbote ist an der Tür.« Lyssa glitt von dem Hocker an ihrer Frühstücksbar und streckte die erschöpften Muskeln. Sie würde Chad nah an sich herankommen lassen. Auf jeden Fall. »Morgen ist Freitag. Ist es dir recht, es auf Samstag zu verschieben?«
Chads frustriertes Ausatmen war durch die Leitung zu hören. »Ja. Also Samstag. Dann aber ganz bestimmt.«
»Ganz bestimmt. Ich verspreche es dir. Bis dann.« Sie beendete das Gespräch und durchquerte ihr kleines Wohnzimmer zur Wohnungstür. Jelly Bean lief im Gleichschritt neben ihr her und stieß eine unfreundliche leise Warnung aus.
»Reiß dich zusammen, Kampfkater«, schalt Lyssa ihn aus, obwohl sie wusste, dass JB ihre Ermahnung ignorieren und mit gewohnt mürrischer Inbrunst fauchen würde.
Es läutete wieder, und sie ging schneller. »Ich komme schon.« Lyssa drehte den Türgriff und zog die Tür auf. »Muss ich etwas unterschreiben oder … s-so w-was …?«
Sie stotterte und verstummte, als sie aufblickte und in Augen von intensivem Saphirglanz sah. Auf den Stufen vor ihrer Tür stand weit mehr als ein Meter achtzig unverfälschter, prachtvoller Männlichkeit.
Sie schnappte nach Luft.
Er war so groß, so breitschultrig und so überwältigend, dass er den Türrahmen vollständig ausfüllte. Der Geruch seiner Haut, exotisch,
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