Verlangen
Augen auf. Stumm sahen sie einander an. Fragen und Verwirrung hingen in der Luft.
»Ich muss gehen«, sagte sie schließlich.
Daraufhin packte er sie, seine Hände ballten sich in ihrem Haar zu Fäusten und zogen ihren Kopf zurück, und sein Mund fiel über sie her und vereinnahmte sie mit tiefen, harten Stößen seiner Zunge. Er sog ihren Geschmack in tiefen Zügen in sich auf und ließ dafür seinen Geschmack zurück. Ihre Hände klammerten sich an seinen Rücken, ihre Knie wurden weich, und die Last ihres Verlangens ließ ihren Körper in sich zusammensacken. Er ließ sie erst los, als sie leise in seinen Mund wimmerte.
Seine Nasenflügel blähten sich. »Mach schnell, oder ich mache Jagd auf dich. Was passiert, wenn es dazu kommt, wird dir nicht gefallen.«
Sie schluckte schwer und nickte. Dann zog sie sich langsam und benommen zur Tür zurück.
Als die Tür mit einem Geräusch, das etwas Endgültiges an sich hatte, hinter ihr zufiel, stieß Lyssa ihren angehaltenen Atem aus. Es ließ sich nicht leugnen. Sie hatte sich Hals über Kopf verliebt.
Aber sie musste sich erst noch mit Chad befassen.
»Mist.«
Das letzte Mal hatte sie sich innerlich so zerrissen gefühlt, nachdem sie Jenna Lee im College durch eine gedankenlose Bemerkung zum Weinen gebracht hatte. Chad verdiente jemanden, der wirklich verrückt nach ihm war. Nur dieses Wissen hielt sie davon ab, sich selbst abgrundtief zu hassen.
Lyssa reckte das Kinn in die Luft und lief durch den Flur zum rückwärtigen Ausgang der Praxis. Sie schaffte das scho n. Ganz bestimmt.
Dann trat sie zur Tür hinaus, sah den attraktiven Mann, der an seinem Jeep lehnte, und brach in Tränen aus.
Es lag nicht daran, dass sie bereute, was sie letzte Nacht mit Aidan getan hatte; sie bereute es keineswegs. Aber sie hätte mit der ganzen Situation besser umgehen sollen. Dazu kamen noch die Ereignisse der letzten circa zwanzig Stunden und ihre überwältigenden Gefühle für Aidan. Kein Wunder, dass sie mit den Nerven am Ende war – ein emotionales Wrack.
»He«, sagte Chad leise. Er kam auf sie zu und zog sie eng an sich. »Das ist nicht das Ende der Welt. Ich bin ein großer Junge. Ich kann damit umgehen.«
Lyssa schmiegte sich an ihn, dankbar dafür, dass er ihr aus der Patsche half. Nachdem sie jahrelang gehofft hatte, ein toller Typ würde ihr über den Weg laufen, war es ihr irgendwie gelungen, sich zwei gleichzeitig zu angeln.
Einem von beiden gab sie gerade den Laufpass. Sie konnte nur hoffen und beten, dass sie den anderen nicht verlor.
10
»Wer zum Teufel sind Sie?«
Aidan warf einen Blick auf Stacey, die in der Tür zu Lyssas Büro stand, und zog die Augenbrauen hoch. »Wie bitte?«
»Sie haben gehört, was ich gesagt habe. Was wollen Sie von Lyssa?«
Er lehnte sich an den Schreibtisch und verschränkte die Arme. Er wusste, dass sich Lyssa viel aus ihrer Freundin Stacey machte, und es sah so aus, als erwiderte Stacey diese Gefühle. »Ich glaube nicht, dass Sie das etwas angeht.«
»Und ob mich das etwas angeht.« Ihre Augen wurden schmaler. »Chad ist ein netter Kerl. Er tut ihr gut.«
»Ich bin ein netter Kerl. Ich tue ihr gut.«
»Das sehe ich nicht so. Sie haben sie schon einmal sitzen lassen, und auf mich machen Sie nicht den Eindruck, als hätten Sie vor, sich diesmal länger hier herumzutreiben.«
Dazu konnte er nichts sagen. Er wusste nicht, was er als Nächstes tun würde. In den letzten achtundvierzig Stunden hatte er nicht viel Zeit gehabt, darüber nachzudenken. Sogar während Lyssa mit ihren Patienten beschäftigt gewesen war, hatten sich seine Gedanken mehr um das Zerwürfnis zwischen ihnen gedreht als um die kommenden Tage. Er musste sich auf das Wesentliche konzentrieren. »Meine Arbeit hält mich fern.«
»Was tun Sie überhaupt? Lyssa hat gesagt, Sie sind bei den Sondereinheiten oder so was.«
Sie war wirklich pfiffig. »Oder so was.«
Sie trommelte mit dem Fuß auf den Boden.
»Finden Sie es nicht etwas selbstsüchtig, einfach unange meldet vorbeizuschauen, wenn Ihnen danach zumute ist, vo r allem dann, wenn sie einen festen Freund hat?«
»Ich habe versucht, mich von ihr fernzuhalten, Stacey«, sagte er leise. »Ich habe es wirklich versucht.«
Sie musterte ihn gründlich und sagte dann: »Ich halte mich vorerst mit meinem Urteil zurück.«
»Danke.« Er meinte es ernst. Wenn Stacey gegen ihn Partei ergriff, würde das einen ohnehin schon harten Kampf nur noch erschweren.
»In der Zwischenzeit müssen wir Ihnen etwas zum
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