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Verlangen

Titel: Verlangen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Quick
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detektivischen Fähigkeiten, um festzustellen, daß zumindest das Pferd wohl von einem der nahegelegenen Bauernhöfe stammte. »Ein professioneller Wegelagerer sollte sich zumindest
    ein schnelleres Pferd zulegen. Wer bist du, Junge? Kommst du hier aus der Gegend?«
    Dem Wegelagerer entfuhr ein erneutes Wimmern, und er warf Lucas einen flehenden Blick zu, als ob er sich von ihm Hilfe verspräche.
    »Antworte der Lady«, befahl Lucas sanft.
    Zögernd zog der junge Mann das Tuch von seinem Gesicht. Schmerzlich erkannte Victoria, daß er ein Junge von höchstens fünfzehn Jahren war. Mit ängstlichem Gesicht starrte er erst Lucas und dann Victoria an. »Ich heiße Billy.«
    »Billy und weiter?« fragte Lucas geduldig.
    »Billy Simms.«
    »Nun, Billy, ich fürchte, du steckst in großen Schwierigkeiten«, bemerkte Lucas, während er seine Pistole wieder in die Tasche steckte. »Dem Grafen von Stonevale mißfällt es, wenn Wegelagerer in seinem Gebiet tätig werden.«
    »Denken Sie, es interessiert mich auch nur die Bohne, was Seiner allmächtigen Lordschaft gefällt?« platzte Billy heraus. »Ich würde ja gar nich erst Kutschen überfallen, wenn der letzte Graf Ma un mich un meine Schwester nich aus unserer Hütte geworfen hätte. Was hätte ich denn machen soll’n, als Pa am Fieber gestorben is? Wir wohnen bei meiner Tante und ihrer Familie, und es is nich genug Platz da, un das Essen reicht auch nich. Soll ich vielleicht zugucken, wie die Frauen verhungern? Wohl kaum. Ich hab nur getan, was ich tun mußte. Das is alles.«
    Lucas beobachtete ihn schweigend. »In gewisser Weise hast du recht, Billy. An deiner Stelle hätte ich wahrscheinlich dasselbe getan.«
    Billy beäugte ihn verwirrt. »Sie sehn aus wie ein Edelmann. Sin Sie sicher, daß Sie Kutschen ausgeraubt hätten?«
    »Wie du sagtest, Billy, ein Mann tut, was er tun muß. Doch wie dem auch sei, ich habe gehört, die Dinge hätten sich geändert hier in der Gegend. Stonevale hat jetzt einen neuen Grafen.«
    I
    »Der is bestimmt nich besser als der alte. Die sin alle gleich.
    Die saugen Leuten wie mir und meiner Familie noch den letzten Blutstropfen aus. Ma sagt, die neuen Leute im Herrenhaus sin anders, und ich hab gehört, was sie im Dorf über die Geister sagen, die wieder aufgetaucht sin, aber das glaube ich nich.«
    »Wirklich nicht?« George hob den Kopf, und Lucas tätschelte geistesabwesend den Hals des Pferdes. »Du hast mich zunächst für einen Geist gehalten, nicht wahr?«
    Billy warf ihm einen düsteren Blick zu. »Sie ham mich überrascht, das is alles. Sowas wie Geister gibt’s nich.« Zugleich jedoch starrte er auf Victorias bernsteinfarbenen Schal. Die Farbe war im Licht der Lampen der Kutsche deutlich zu erkennen gewesen.
    »Ganz bestimmt nicht, Billy. Aber darum geht es nicht. Wir haben hier ein kleines Problem.«
    Billy wischte sich mit dem Handrücken die Nase. »Was für’n Problem?«
    »Nun, die Frage, was wir mit dir machen sollen, natürlich.«
    »Warum erschießen Sie mich nich einfach mit Ihrer verdammten Pistole, und dann is gut?«
    »Das wäre natürlich eine Möglichkeit. Und ein nicht ungewöhnliches Ende für einen Wegelagerer. Was meinen Sie, Madam?« Lucas sah zu Victoria hinüber.
    »Ich meine«, sagte Victoria sanft, »daß sich Billy morgen früh in den Ställen des Grafen von Stonevale vorstellen sollte, und dem obersten Stallburschen sagt, daß er eine Anstellung sucht. Bis dahin, meine ich, sollte er nach Hause gehen, damit sich seine Mutter keine Sorgen macht. Zweifellos ängstigt sie sich sehr um ihn.«
    Billy sah auf. »Warum denken Sie, daß ich eine Stelle im Herrenhaus kriege?«
    »Sei versichert, Billy«, sagte Lucas ruhig, »du wirst eine Stelle bekommen. Eine mit besseren Zukunftsaussichten als den jetzigen. Es wird zwar nicht so aufregend sein wie deine Tätigkeit als Wegelagerer, aber wie wir bereits festgestellt haben, tut ein
    Mann eben, was er tun muß. Du hast die Verantwortung für deine Familie, und du kannst es dir nicht leisten, einer Tätigkeit nachzugehen, bei der du diese oder nächste Woche erschossen werden könntest.«
    Der Junge sah Lucas mißtrauisch an. »Nehmen Sie mich auch nich auf den Arm?«
    Victoria lächelte im Schatten ihrer Kapuze. »Bestimmt nicht, Billy. Geh heim zu deiner Mutter und finde dich morgen früh in den Ställen ein. Vielleicht entspricht der Lohn nicht dem, was du hier draußen auf der Straße verdienst, aber zumindest ist es ein regelmäßiges Einkommen. Und das ist

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