Verlangen
habe mir solche Sorgen um euch beide gemacht. Ihr wart mitten im Getümmel, nicht wahr?«
»Es war knapp«, sagte Victoria. Eine Welle der Begeisterung überkam sie nun und löste die Spannung, die sie noch einen Moment zuvor verspürt hatte. »Wir wurden in einer Gasse von zwei Männern überfallen, die uns ausrauben wollten. Doch Stonevale zog eine Pistole hervor und hielt so die Angreifer ab. Er war fantastisch.«
»Gütiger Himmel«, flüsterte Annabella entsetzt.
»Verdammt, Stonevale.« Lyndwood runzelte offensichtlich besorgt die Stirn. »Das war tatsächlich knapp. Ich nehme an, keiner von euch wurde dabei verletzt?«
»Es geht uns beiden hervorragend, Lyndwood, wie Sie selber sehen können.« Lucas wies die Frage mit täuschender Gelassenheit ab. »Obgleich Miss Huntingtons Verkleidung ein wenig gelitten zu haben scheint.«
Verspätet überprüfte Victoria ihre Frisur, wobei sie feststellte, daß etwas fehlte. »O je, ich habe meinen Hut verloren.«
»Sie haben großes Glück, daß Ihnen nicht noch mehr abhanden gekommen ist, Miss Huntington.« Wieder klang Stonevales Stimme unnatürlich ruhig.
Victoria warf einen Seitenblick auf sein hartes Profil und erkannte, daß Lucas äußerst wütend war. Zum ersten Mal seit Beginn des Tumults verspürte sie einen Anflug echter Angst.
Lucas sah hinaus auf die leere Seitenstraße, als die Kutsche zum Stehen kam. »Sie beabsichtigen, sich hier absetzen zu lassen, Miss Huntington? Wir befinden uns nicht gerade vor Ihrer Haustür.«
»Das ist in Ordnung«, sagte sie ruhig und griff nach ihrem erlesenen Spazierstock.
»Und wie wollen Sie ins Haus gelangen, wenn nicht durch den Vordereingang?« fragte Stonevale verärgert.
»Ich werde über die Gartenmauer klettern und durch das Gewächshaus gehen, genau wie ich gekommen bin. Machen Sie sich keine Sorgen, Graf, ich kenne mich hier aus.« Als sich die Tür öffnete, stieg Victoria schnell aus der Kutsche. Sie hoffte, er würde sich nicht verpflichtet fühlen, sie zu begleiten.
»Gute Nacht, Vicky«, rief Annabella leise. »Es war wirklich ein höchst interessanter Ausflug, nicht wahr?«
»Ganz bestimmt«, erwiderte Victoria.
Lucas verließ hinter Victoria die Kutsche. »Warten Sie hier, Lyndwood«, befahl er über die Schulter. »Ich werde zurück sein, sobald ich unseren leichtsinnigen kleinen Dandy über die Gartenmauer geleitet habe.«
Alarmiert sah sich Victoria nach ihm um. »Es besteht keinerlei Notwendigkeit, mich nach Hause zu begleiten, Graf. Ich versichere Ihnen, ich bin durchaus in der Lage, mich allein zurechtzufinden.«
»Davon will ich nichts hören, Miss Huntington.« Sein wissendes Lächeln zeigte, daß er ihre Unruhe bemerkt haben mußte. »Hervorragend«, murmelte er, während er ihren Arm ergriff und sie in die Dunkelheit schob. »Ich merke, Sie kennen mich inzwischen gut genug, um zu wissen, daß ich alles andere als guter Dinge bin. Es ist nicht ratsam, mit mir zu streiten, wenn ich in dieser Stimmung bin.«
»Graf«, setzte sie an und hob majestätisch den Kopf, »wenn Sie der Meinung sind, ich sei für die Geschehnisse des heutigen Abends verantwortlich, dann sollten Sie lieber noch einmal nachdenken.«
»Natürlich sind Sie für alles verantwortlich, Miss Huntington.« Er sah hinauf zu der hohen, mit Efeu umrankten Steinmauer. »Und wie gelangen wir nun in den Garten?«
Sie versuchte, ihren Arm aus seinem Griff zu befreien. Da er jedoch ihre Bemühungen nicht zur Kenntnis zu nehmen schien, gab sie auf und nickte in Richtung des Weges. »Dort hinten ist eine günstige Stelle.«
Er zerrte sie hinter sich her in die angegebene Richtung, bis sie auf die dichten Weinreben zeigte, unter denen sich ein paar hervorragende Steine in der Mauer verbargen. Ohne ein Wort zu sagen, setzte Victoria die Spitze ihres Stiefels auf den ersten Vorsprung und ergriff eine Rebe.
Als er sah, wie sie die Gartenmauer erklomm, schüttelte Lucas mißbilligend den Kopf. Unter seinem Blick fühlte sich Victoria linkisch und plump. Allzu geübt war sie im Erklimmen von Gartenmauern schließlich nicht. Sie konnte nur hoffen, daß wegen des nur spärlichen Mondlichtes die Form ihres schmuck gekleideten Hinterteils beim Übersteigen der Mauer nicht allzu deutlich wurde.
Hinter ihr ergriff Lucas eine Efeuranke, setzte den Fuß ebenfalls auf den Vorsprung und folgte ihr.
Auf der anderen Seite der Mauer ließ sich Victoria auf den Boden fallen und schaute hinauf, wo sie Lucas fast genau über sich sah. Schnell
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