Verlangen
wenn ich den Zustand meiner Ländereien verbessern will«, sagte Lucas.
Cleo schien sich zu freuen. »Hervorragend. Dann werden Sie sich zweifellos für Victorias Pflanzenbilder interessieren.«
Victoria errötete leicht, was Lucas erstaunte. »Tante Cleo, ich bin sicher, daß der Graf nicht das geringste Interesse an meinen dilettantischen Bildern hat.«
»Ich versichere Ihnen, daß sie mich sehr wohl interessieren würden«, beeilte sich Lucas zu sagen. Etwas, das Victoria erröten ließ, mußte einfach faszinierend sein.
»Sie hat außerordentliche Fähigkeiten auf diesem Gebiet«, sagte Lady Nettleship, während sie aufsprang und einen Skizzenblock vom Tisch nahm. »Werfen Sie nur einmal einen Blick darauf.«
»Tante Cleo, wirklich...«
»Nein, keine falsche Bescheidenheit, Vicky. Deine Arbeiten sind hervorragend und wunderbar originalgetreu. Ich erzähle dir schon seit Jahren, daß du sie veröffentlichen solltest. Bitte sehr, Graf. Was halten Sie davon?« Erwartungsvoll legte Cleo das Buch in Lucas’ Hände.
Lucas, der bemerkte, wie Victoria ihn in resigniertem Schweigen beobachtete, betrachtete den Skizzenblock eingehend. Er öffnete ihn in Erwartung der üblichen laienhaften Bilder. Schließlich galt es als chic, wenn junge Damen malen lernten.
Dann jedoch war er überrascht von der Klarheit und Lebendigkeit von Victorias Arbeiten. Ihre Pflanzen schienen auf den Blättern des Skizzenblocks zu erblühen. Sie waren nicht nur künstlerisch gelungen, sondern zudem äußerst detailgetreu.
Lucas war fasziniert von den Rosen, Iris, Mohnblumen und Lilien, die vor seinen Augen zum Leben erwachten. Jede der Blumen war in zierlicher Handschrift mit ihrem offiziellen botanischen Namen versehen: Rosa provincialis, Passiflora alata, Cyclamen linearifolium.
Er sah auf und bemerkte, daß Victoria ihn nach wie vor mit einem seltsam erwartungsvollen Ausdruck beobachtete. Ihre Kunst war ihr demnach wirklich wichtig. Er schloß den Skizzenblock. »Diese Zeichnungen sind hervorragend, Miss Huntington. Aber das wird man Ihnen bereits gesagt haben. Selbst mein ungeübter Blick erkennt die Schönheit dieser Skizzen und Zeichnungen.«
»Danke.« Plötzlich lächelte sie strahlend, als hätte er ihr gesagt, sie, und nicht ihre Kunst, sei schön. Ihre bernsteinfarbenen Augen schimmerten fast golden. »Sie sind sehr freundlich.«
»Ich bin nicht freundlich, Miss Huntington«, sagte er ruhig. »Ich sage lediglich die Wahrheit. Obgleich ich zugeben muß, daß ich nicht alle diese Pflanzen kenne. Wo haben Sie sie gezeichnet?«
»Im Gewächshaus«, erklärte Cleo. »Victoria und ich haben einen meiner Meinung nach recht beachtlichen botanischen Garten eingerichtet. Natürlich nicht vergleichbar mit dem in Kew, doch wir sind sehr stolz darauf. Hätten Sie Interesse daran, das Gewächshaus zu besichtigen? Victoria führt Sie gewiß gern ein wenig herum.«
Lucas nickte. »Es wäre mir ein Vergnügen.«
Victoria erhob sich würdevoll. »Hier entlang, Graf.«
»Nun lauft schon los«, sagte Cleo. »Vielleicht möchten Sie anschließend noch eine Tasse Tee mit uns trinken, Graf?«
»Danke, gern.« Lucas lächelte, während er Victoria hinaus in die Eingangshalle und einen kurzen Gang entlang hinter das Haus folgte. Es lief alles ausgezeichnet, sagte er sich, als sie ihn in ein großes Glashaus voller Pflanzen führte, in dem die feuchte Erde einen reichhaltigen Duft verströmte. Endlich war er allein mit seinem Opfer.
Er sah sich um und stellte fest, daß er seine Jagd heute in einem richtigen Dschungel fortsetzen würde. Durch das Fenster blickte man auf einen großen, hübschen Garten und auf eine eigenartig vertraute, mit Efeu umrankte Steinmauer.
»Ich habe mich gefragt, wie der Garten wohl bei Tageslicht aussieht«, bemerkte Lucas.
Warnend zog Victoria die Brauen zusammen. »Pst, Graf. Es könnte uns jemand hören.«
»Das ist eher unwahrscheinlich. Wir scheinen den Platz für uns zu haben.« Er betrachtete die üppigen Grünpflanzen und die Sammlung exotischer Blüten, die das Glashaus füllten. »Sie und Ihre Tante scheinen wirklich Interesse am Gartenbau zu haben. Es ist erstaunlich.«
»Meine Tante ließ das Gewächshaus vor ein paar Jahren errichten«, sagte Victoria, während sie einen der grün überdachten Wege hinabschritt. »Sie hat Freunde, die die ganze Welt bereisen und die uns Samen und Setzlinge schicken. Kürzlich erst schickte uns Sir Percy Hickinbottom, einer ihrer zahlreichen Verehrer, eine neue Rose,
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