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Verlangen

Titel: Verlangen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amanda Quick
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entgegengeschleudert hatte.
    Während Lucas allein in der Bibliothek stand und nachdachte, durchfuhr es ihn, daß der reiche, lohfarbene Glanz des Bernsteins genau der Farbe von Victorias Augen entsprach.

4
    Lucas stieg die Stufen zu Lady Nettleships Stadtwohnung hinauf, wobei er eine Mischung aus froher Erwartung und eiserner Entschlossenheit verspürte. Es war, als würde er sich an einen Spieltisch begeben. Seine Gedanken kreisten um das Ziel - er wollte gewinnen; und Lucas wußte, daß er meistens gewann.
    Bereits vor langer Zeit hatte er gelernt, daß es für einen Mann, der seinen Lebensunterhalt mit Hilfe seines Verstandes verdienen mußte, nichts Wichtigeres gab als Strategie und Planung. Er hatte erfahren, wie wichtig es war, während einer Schlacht oder eines Kartenspiels einen kühlen Kopf zu bewahren und alle Gefühlsregungen zu unterdrücken. Lucas wußte, kaltblütige Logik war der Schlüssel zum Erfolg.
    Er war sich bewußt, daß der einfache Grund für sein Überleben oder besser für seinen Erfolg an den Tischen der Londoner Clubs und Spielhöllen der war, daß er niemals mit dem Herzen spielte. Anders als die wilden jungen Draufgänger, die leidenschaftlichen, betrunkenen Lords oder die verrückten Dandys, die es liebten, ihr Geld höchst melodramatisch zum Fenster hinauszuwerfen, gestattete sich Lucas niemals Gefühle wie Ausgelassenheit, falschen Stolz oder Verzweiflung. Bei einer Pechsträhne verließ man einfach den Tisch und versuchte es zu einem anderen Zeitpunkt an einem anderen Ort erneut. Und Lucas hatte immer einen anderen Zeitpunkt und einen anderen Ort gefunden.
    Doch so erfolgreich er auch an den Spieltischen war, sein Onkel hatte recht gehabt; er würde niemals genug gewinnen, um Stonevale zu retten. Lucas wußte, daß er mit diesem Versuch nur seine Zeit vergeuden würde. Das Land und die Menschen von Stonevale aber konnten nicht so lange warten.
    Zumindest kostete es weniger, hier in London den Schein zu wahren. War ein Mann clever und wägte er seine Ausgaben sorgfältig ab, so konnte er von dem Gewinn einer Nacht eine Weile leben. Die bessere Gesellschaft mochte zwar Spekulationen anstellen hinsichtlich der finanziellen Situation eines Mannes; wenn es ihm jedoch gelang, den Anschein von Reichtum zu erwecken, wäre niemand so unhöflich, Nachforschungen anzustellen. Und schließlich waren da noch sein Titel und die gesellschaftlichen Beziehungen von Jessica Atherton.
    Lucas blickte zu der teuren schwarzen Karriole mit den beiden wunderbaren Grauschimmeln, mit der er gekommen war.
    Kutsche und Gespann hatten ein Vermögen gekostet, aber sie waren ebenso unerläßlich wie die elegante Kleidung. Wenn ein Mann es auf eine reiche Erbin abgesehen hatte, war die Erscheinung von größter Bedeutung; besonders wenn die Lady dazu neigte, Spitzel anzuheuern.
    Während Lucas seine Strategie zum letzten Mal überdachte, öffnete sich Lady Nettleships Eingangstür. Lucas überreichte dem Butler seine Karte.
    »Der Graf von Stonevale möchte Lady Nettleship und ihrer Nichte einen Besuch abstatten.«
    Der Butler sah ihn über seine majestätische Nase hinweg an. »Ich werde sehen, ob Lady Nettleship heute morgen empfängt.«
    Einen grimmigen Augenblick lang fragte sich Lucas, was er täte, wenn Victoria ihre Meinung hinsichtlich seines Besuches geändert hätte. Es war durchaus möglich, daß sie jetzt im hellen Tageslicht die Gefahr spürte, in die sie sich begab.
    Er hätte dem heißen Drängen widerstehen sollen, das ihn letzte Nacht dazu getrieben hatte, sie zu küssen. Etwas Derartiges hatte nicht in seiner Absicht gelegen, besonders nicht am Anfang der Jagd. Doch während eines kurzen, gefährlichen Augenblicks hatte er dort in dem dunklen Garten seine eigenen Regeln durchbrochen und seinen Gefühlen erlaubt, das Geschehen zu bestimmen. Lucas schwor sich, in Zukunft vorsichtiger zu sein.
    Der Butler kehrte zurück, und Lucas verspürte eine Mischung aus Erleichterung und Triumph, als er in den Salon geführt wurde. Wie an den Spieltischen war auch hier keine Regung in seinem Gesicht zu erkennen, doch er hatte die erste Hürde genommen; er befand sich im Haus seines Opfers.
    Das Triumphgefühl wandelte sich jedoch in Verärgerung, als er Victoria nirgends in dem sonnendurchfluteten Raum entdeckte. Er hatte nicht erwartet, daß Victoria der Mut verlassen würde. Doch die Lady, die ihm letzte Nacht furchtlos in die
    Gasse gefolgt war, zog es offensichtlich vor, eine Begegnung im Tageslicht zu

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