Verlangen
die er während einer China-Expedition entdeckt hatte. Er nannte sie ihr zu Ehren Cleos Chinesischer Glanz. War das nicht nett? Letzten Monat schickte er eine wunderschöne Chrysantheme. Wir hoffen, sie wird es überleben. Kennen Sie sich mit Chrysanthemen aus, Graf?«
»Nein, aber ich weiß, was es bedeutet, wenn jemand plötzlich sehr gesprächig wird. Beruhigen Sie sich, Victoria. Es besteht kein Grund zur Aufregung.«
»Ich bin nicht aufgeregt.« Stolz hob sie den Kopf, als sie bei einem großen Beet mit seltsamen, klobigen, dornenbesetzten Pflanzen stehenblieb. »Mögen Sie Kakteen?«
Neugierig sah Lucas auf die Ansammlung stachliger Pflanzen, die anders aussahen als alles, was er bisher gesehen hatte. Vorsichtig berührte er eine der Dornen und entdeckte, daß diese spitz wie Nadeln waren. Er blickte auf und begegnete Victorias Augen.
»Die Verteidigungsmechanismen meiner Gegner haben mich schon immer interessiert«, sagte Lucas.
»Liegt das daran, daß Sie diese Abwehr immer überwinden möchten?«
»Nur, wenn der Kampf sich lohnt.« Das Wortgefecht begann ihm Spaß zu machen. Sie war kein Feigling.
»Wie können Sie den Wert der Beute kennen, bevor der Kampf begonnen hat?«
Es war wohl doch kein Fehler gewesen, sie in der letzten Nacht zu küssen, entschied Lucas. Die Art, in der sie ihn ansah, zeigte ihm, daß sie lange über den Kuß nachgedacht hatte. »Manchmal ist einem eine kleine Kostprobe erlaubt. Das, was ich letzte Nacht probieren durfte, war äußerst vielversprechend.«
»Ich verstehe. Und testen Sie eine Menge möglicher Beutestücke, bevor Sie entscheiden, auf welches Sie es absehen?« Sie sah ihn eindringlich an.
Sein Mund zuckte, als er den Hochmut in ihren Augen sah. »Man muß zumindest einen Vergleich ziehen können.«
Fast unmerklich wandelte sich der Hochmut in Abscheu. Sie wandte sich ab und begab sich auf den Weg zurück. »Ich dachte mir bereits, daß das der Fall sei.«
Plötzlich war Lucas verärgert. Sie hatte dieses Scharmützel begonnen. Er ergriff ihren Arm und zwang sie stehenzubleiben. Als sie sich umdrehte, traf ihn ein verächtlicher Blick.
»Was ist los, Victoria? Gefällt Ihnen die Tatsache nicht, daß es auch andere Beutestücke in meinem Leben gab? Sie waren nicht besonders wichtig.«
»Mir mißfällt die Tatsache, daß Sie anscheinend bei der Auswahl Ihrer Beutestücke nicht sehr wählerisch waren, und daß Sie derartige Angelegenheiten offensichtlich nicht ernst nehmen.«
»Ich versichere Ihnen, ich war stets wählerisch und niemals gleichgültig. Tatsächlich hat es nicht allzu viele Beutestücke gegeben. Ich habe die meiste Zeit meines Lebens beim Militär verbracht, und mit einem Offiziersgehalt ist es schwer, eine Geliebte zu unterhalten.« Er übte bewußt genug Druck auf ihr Handgelenk aus, damit sie näher kam. »Wie steht es mit Ihnen? Sie parieren sehr gut. Liegt das daran, daß Sie in diesem Spiel wohlgeübt sind?«
»Ich habe reichlich Erfahrung darin, den Kaktus zu spielen, Graf.«
»Ach, sagen Sie«, fragte Lucas lächelnd, »ist es jemals irgend jemandem gelungen, die Stacheln zu überwinden?«
»Das geht Sie ja wohl nichts an, oder?«
Er sah, wie sie errötete, doch ihre Augen hielten seinem Blick stand. »Verzeihen Sie. Ich fürchte, unter den gegebenen Umständen hege ich einfach eine gewisse Neugierde. Schließlich beabsichtige ich, den Panzer zu durchbrechen und an den verborgenen Schatz zu gelangen. Das sagte ich ja bereits letzte Nacht.«
»Sie sind nicht besonders feinfühlig, oder, Stonevale?« sagte sie.
»Ich bin feinfühlig, wenn es erforderlich ist, doch in diesem
Fall denke ich, daß ich vollkommen offen über meine Absichten sprechen darf. Schließlich sind Sie kein dummes Schulmädchen. Ich denke nicht, daß Sie sich durch die ehrlichen Absichten eines Mannes leicht erschrecken lassen.«
Victoria richtete sich auf und sah ihn an. »Da wir von Ehrlichkeit sprechen, was genau sind Ihre Absichten, Graf? Diesbezüglich haben Sie sich letzte Nacht nicht allzu deutlich ausgedrückt.«
»Sie müssen sich der Tatsache bewußt sein, daß ich es von nun an auf Sie abgesehen habe. Und ich werde tun, was notwendig ist, um Sie zu bekommen.«
»Letzte Nacht-«, begann sie hastig, doch dann unterbrach sie sich, um nach den richtigen Worten zu suchen. »Letzte Nacht habe ich Sie davor gewarnt, an eine Heirat zu denken.«
»Ich habe Ihre Warnung vernommen. Sie haben sie, wenn ich mich recht erinnere, mehrere Male in verschiedenster
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