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Verletzlich

Verletzlich

Titel: Verletzlich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ravensburger
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als Sonnengott darstellen, um sie davon zu überzeugen.«
    Sagan streckte sich und ich war hingerissen. Wie gebannt starrte ich auf die feinen goldenen Härchen auf seinen Armen. Eine Vene im Nacken pulsierte gleichmäßig. Hm. Sonnengott. Vielleicht hatte ich Recht.
    »Kann man es sehen?«, fragte er, als wir eines der Fässer hinter einer Stahlsäule abgestellt und es mit Spannriemen festgeschnallt hatten.
    Ich lehnte mich zurück und legte schützend den Arm über die Augen. »Nein. Es sei denn, man kommt von der anderen Seite, und dann würde man es wahrscheinlich für einen Teil der Turmkonstruktion halten, weil alles gleichermaßen rostig ist.«
    »Super Tarnung«, sagte er. »Und wie findest du es?«
    Ich begutachtete sein Werk. »Gute Arbeit, ich bin beeindruckt. Ich hätte nie gedacht, dass in deinem engelhaften Kopf ein so gemeiner Geist wohnt.«
    Sagan war so konzentriert bei der Sache, dass ich mir nicht sicher war, ob er den letzten Teil überhaupt gehört hatte. »Manches wirkt vielleicht übertrieben, aber …«
    »Mein Großvater sagt immer, er würde lieber für einen Bären gerüstet sein und dann auf einen lynx roux treffen als umgekehrt.«
    »Was ist ein lynx roux? «
    »Ein Luchs«, antwortete ich.
    »Gibt es in Frankreich Luchse?«
    »Wahrscheinlich schon, wenn sie ein Wort dafür haben.«
    »Wie dein Großvater denkt, gefällt mir.«
    »Mir auch. Ich hoffe, du lernst ihn eines Tages kennen.«
    »Ich gehe fest davon aus«, sagte Sagan.
    Inzwischen saßen wir oben auf dem Turm, ließen die Beine baumeln und wischten uns mit den edlen, gestohlenen Handtüchern den Schweiß von den Gesichtern. Die Sonne ging unter. Der Himmel im Westen färbte sich scharlachrot, als würden sich die Wolken mit Blut füllen.
    »Was glaubst du?«, fragte ich. »Das ganze Zeug, das wir hier vorbereitet haben … wird es funktionieren? Sei ehrlich!«
    »Du bist doch sonst immer so von dir überzeugt.«
    »Ich weiß. Aber … Wenn das ein Experiment wäre, wie hoch würdest du die Erfolgschancen einschätzen?«
    Für eine Weile schwieg Sagan. »Man bereitet sich so gut vor, wie man kann. Damit versucht man seine Chancen zu verbessern, aber wenn man alles getan hat, was man tun kann …«
    »Ja, ja, dann liegt es nicht mehr in deiner Hand. Aber wird es funktionieren?«
    »Na ja … es muss, bis zu einem gewissen Grad zumindest. Moreau ist ein physisches Wesen, das somit auch physische Grenzen kennt. Unsere Maßnahmen werden also eine gewisse Wirkung haben. Fraglich aber bleibt, wie groß diese Wirkung sein wird. Und – was vielleicht noch wichtiger ist: Erreichen wir unser ultimatives Ziel?«
    »Jetzt fängst du schon wieder mit dem ›wir‹ an.«
    »Mich wirst du jetzt erst einmal nicht mehr los, Emma.«
    »Bis ich entscheide, dich an einem sicheren Ort wegzuschließen.«
    »Wir werden sehen.«
    »Sagan? Hast du Skrupel, jemanden umzubringen?«
    Er stand auf und lehnte sich gegen das Metallgeländer. Sein Rücken war mir zugewandt. »Wir haben es mit einem Monster zu tun, das hast du selbst gesagt«, sagte er nachdenklich und blickte über die Felder.
    »Ich weiß, aber früher war er ein Mensch.«
    »Na ja … das Problem ist, dass mir das nicht so bewusst ist wie dir«, erwiderte Sagan. »Du hast Vampire gesehen. Hast erlebt, was sie können. Als wir das ganze Zeug heute Nachmittag in strahlendem Sonnenschein aufgebaut haben, kam es mir eher so vor wie Vorbereitungen für Halloween. Ich kann mir einfach noch immer nicht vorstellen, dass es real ist. Deshalb belastet mich der Gedanke nicht so sehr.«
    Er spuckte aus und beobachtete, wie der kleine weiße Tropfen auf den Boden fiel und unterwegs vom Wind zur Seite getragen wurde.
    »Aber jetzt? Ist dir jetzt unwohl? So wie wir vorgehen?« Ich ließ nicht locker.
    »Haben wir eine Wahl? Wir müssen schwere Geschütze auffahren. Wenn wir menschlich daherkommen …«
    »Sterben wir. Ich verstehe, was du meinst. Für mich fühlt es sich inzwischen ein wenig zu real an«, sagte ich. »Glaubst du, so fühlen sich Soldaten, kurz bevor sie in den Krieg ziehen?«
    »Ich weiß es nicht. Wie gesagt, so ganz habe ich es mir noch nicht bewusst gemacht, was uns bevorsteht. Ich wünschte, ich könnte sehen, was du gesehen hast.«
    Ich erschauerte. »Nein, das wünschst du dir nicht.«
    Endlich hatte sich die Dunkelheit über das NASA-Gelände gesenkt. Wir standen vor dem Solarobservatorium und warteten gespannt auf Lena, Donne und Anton.
    »Bist du bereit?«, fragte

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