Verletzlich
nicht mögen?«
27
Das Appartement
Neun Uhr dreißig am Morgen. Ich hatte geschlafen, wenn auch unruhig und nahm alles wie durch einen Schleier wahr, als wäre es nicht real.
Die Appartementanlage war deutlich schicker als die Wohnblocks, die ich gewohnt war. Es gab Tennisplätze und einen kleinen Wasserfall, der in einen Pool führte. Die Außenwände waren gemauert und nicht aus Kunststoff. Der Parkplatz war fast leer. Die Menschen, die hier wohnten, waren bereits zur Arbeit gefahren. Direkt vor uns befand sich das Gebäude mit der Wohnung, die ich mit dem Blick des œil gesehen hatte und wo sich Moreau versteckt hielt.
Ich hatte den kleinen Vorschlaghammer aus dem Baumarkt bei mir. Auf der einen Seite kam ich mir lächerlich vor, auf der anderen hatte ich eine Heidenangst. Außerdem hatte ich einen Pfahl ausgerissen, mit dem ein Plakat aufgestellt gewesen war, und ihn auf einer Seite angespitzt.
Auf Sagans Schoß lag ein gefährlich aussehendes Samuraischwert, das sein Großvater einst aus dem Zweiten Weltkrieg mitgebracht hatte.
»Das ist krank«, sagte er.
»Stimmt«, pflichtete ich ihm bei.
»Ich bin immer noch der Meinung, dass wir die Polizei rufen sollten.«
»Und was sollen wir ihnen dann sagen? Dass ich letzte Nacht mit meinem Vampirblick gesehen habe, wie jemand umgebracht wurde? Und dann finden sie den Kerl? Und dann?«
Waren die Ereignisse der letzten Nacht wirklich geschehen? Ich legte eine Hand an meinen Hals. Die Schnittwunde war fast verheilt. Außerdem ließen das gute alte Tageslicht und die grünen Mülltonnen der Wohnanlage die Ereignisse unwirklich, ja unmöglich, erscheinen.
Aber ich erkannte die Holztreppe wieder, die in der Mitte durch jahrelange Benutzung glatt geworden war, und ich sah die Eingangstür des Joggers, auch wenn ich die Nummer von unserer Position aus wieder nicht erkennen konnte.
Die Kunststoffjalousien an den Fenstern waren geschlossen. Aber so sahen die meisten Fenster in der Siedlung aus. Als hätten sie alle etwas zu verbergen.
»Meiner Meinung nach sind folgende Szenarien möglich«, begann ich. »Ich geh da rein und stelle fest, dass niemand zu Hause ist. Dann war alles nur eine seltsame, abgefahrene Vision.«
»Oder in der Küche ist überall getrocknetes Blut und ein Vampir schläft dort seinen Rausch aus«, fuhr Sagan fort.
»Moreau würde es längst aufgeleckt haben.«
»Igitt, Emma.«
Ich sah ihn an. »Das Erste, was ich tue, sobald ich drin bin, ist, Licht in die Wohnung lassen. Das ist unsere einzige Chance. Was soll er dann noch ausrichten?«
»Dich töten vielleicht?«
»Sehr komisch.«
»Das war nicht komisch gemeint. Was ist, wenn er dich erwartet und dich überwältigt, bevor du bei den Fenstern bist?«
»Dann gehe ich doch am besten durch ein Fenster hinein. Auf diese Weise bringe ich das Licht gleich mit. Gibt es einen sichereren Weg?«
»Abhauen.«
»Sagan, er ist so nah. Wir sind hier nur knapp zwei Kilometer vom Raumfahrtzentrum entfernt. Ist dir das eigentlich bewusst? Er weiß, was er tut. Womöglich ist es unsere einzige Chance, ihn zu erwischen, bevor er mich erwischt. Was ist dir lieber: Dass wir ihn uns jetzt vorknöpfen, solange er in der Falle sitzt oder dass wir es auf einen offenen Kampf mit einem Vampir ankommen lassen, der im Vollbesitz seiner Kräfte ist?«
»Keins von beidem.« Sagan sah mich lange und eindringlich an und hielt dann das Schwert hoch. »Und das ist für …?«
»Den Kopf. Hat Anton gesagt. Der Pfahl ist nur, um ihn unten zu halten. Dann schlägst du ihm …«
»Meinst du das ernst?«
»Mir bleibt keine Wahl«, antwortete ich.
Wir parkten den Jeep so dicht an der Treppe wie möglich. Dann stiegen wir aus und eilten die Stufen hinauf. Die Tür war um den Knauf herum schmutzig von jahrelanger Benutzung. Die Hausnummer war 218.
Ich trug dicke Gummihandschuhe. Bevor ich prüfte, ob abgeschlossen war, blickte ich mich noch einmal um. Niemand war zu sehen. Am Ende der Galerie, die außen an dem Haus entlangführte, befand sich ein Balkon, der auf einen mit Gras bewachsenen Hang führte. Dort hinunterzuspringen wäre auch für Sagan nicht besonders schwierig. Doch sich darüber Gedanken zu machen, war Zeitverschwendung. Niemals würde Moreau uns bis hierher folgen, wenn es taghell war.
»Mir gefällt das hier nicht.«
»Psst.«
Ich legte die Hand auf den Knauf. Selbst durch den Handschuh fühlte er sich kalt an.
Dann drehte ich ihn langsam … sehr langsam. Man hörte ein Klicken, doch dann
Weitere Kostenlose Bücher