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Verletzlich

Verletzlich

Titel: Verletzlich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ravensburger
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durch den schmalen Spalt zu zerren. Fluchend wühlte ich die Kisten und Kartons durch, die wir dort versteckt hatten.
    »Warum haben wir den Erste-Hilfe-Kasten bloß nicht obenauf gelegt? Unglaublich!«
    Ich riss sein Hemd auf. Die Blutung hatte fast aufgehört, aber jetzt sickerte eine klare Flüssigkeit aus der Wunde. Mit Wattebällchen wischte ich sie ab und tupfte Wasserstoffperoxid auf die offenen Stellen.
    »Aua! He!«
    »Still sitzen.«
    Sagan verzog ein wenig das Gesicht. Die Spuren des Bisses sonderten einen weißlichen Schaum ab. Zum Schluss legte ich einen dicken Verband an.
    »Du warst so tapfer«, sagte ich, während ich ihn befestigte, und versuchte die Tränen zu unterdrücken. »Unfassbar, wie viel du ausgehalten hast. Hast du die ganze Zeit daran gedacht? An das STEREO-Bild?«
    »Zuerst nicht. Erst als ich das rote Licht unter der Maus blinken sah, kam ich auf die Idee. Nur mithilfe des kleinen roten Punkts konnte ich sie überhaupt finden. Aber ich wusste, dass er schneller wäre als ich, wenn ich die Hand danach ausstrecken würde. Deshalb habe ich mir gedacht, wenn ich total schlaff werde und mich tot stelle, würde er mich vielleicht loslassen. Dein Brüllen bot mir dann natürlich die ideale Vorlage.« Fluchend fasste er sich an den Hals.
    Ich küsste ihn auf die Stirn. »Alles in Ordnung? Bitte sag mir, dass alles in Ordnung ist.«
    Er holte tief Luft. »Ja, das meiste war, wie gesagt, gespielt. Aber sie kommen wieder«, fügte er leise hinzu.
    »Darauf sind wir vorbereitet und sie nicht. Jetzt ist es zu Ende. Hast du dein Funkteil?« Ich zog mein eigenes Gerät heraus und setzte es auf.
    Sagan klopfte auf seine Tasche. »Ja, aber ich weiß nicht …«
    »Ich auch nicht. Ich vertraue deinem Plan. Ich vertraue dir.«
    Er sah jetzt ein wenig besser aus, nicht mehr so blass. Ich besorgte ihm Wasser, aber nach einigen Schlucken schob er es weg und begann in einem Karton nach etwas zu suchen. Nach einer Weile zog er erst lange rote Handfackeln und dann eine Nachtsichtbrille hervor.
    »Keine Taschenlampe?«, fragte ich.
    »Zu gefährlich.« Sagan setzte sich die Nachtsichtbrille auf. »Sie funktioniert mit Infrarotlicht. Selbst wenn ich irgendwo bin, wo kein Umgebungslicht ist, kann ich damit immer noch sehen.«
    Er schaltete seinen Laptop ein.
    »Wie lange hält dein Akku?«, fragte ich.
    »Höchstens vier Stunden, wenn man Bilder abspielt.« Sobald der Computer hochgefahren war, erschienen die Aufnahmen der fünf Kameras als grüne Quadrate auf dem Bildschirm. »Okay, wir sind bereit.« Er sah mich an und drückte mir die Hand. »Sei vorsichtig.«
    Ich küsste ihn abermals.
    »Du auch.«
    Ich zog das Gitter hinter mir zu und verschloss es wie geplant. Dann verließ ich den Bunker, um auf den Turm zu klettern. Oben hielt ich in alle Richtungen Ausschau. Ich stellte mich an eine Stelle, die wir als Position eins bezeichneten. Der einzig höhere Punkt war die Stahlspitze mit der rot blinkenden Warnlampe für Flugzeuge, die sich ungefähr neun Meter über mir erhob.
    Ich winkte in die Kamera.
    »Kannst du mich sehen?«
    »Ja«, Sagans Stimme war durch ein Rauschen verzerrt. »Siehst du etwas?«
    »Noch nicht.«
    Ich blickte in Richtung des Bunkers, konnte Sagan aber nicht erkennen … er war zu weit drinnen.
    »In den Kamerabildern sehe ich bislang auch nur grünliches Metall und Bäume«, berichtete er.
    »Wie fühlst du dich?«
    »Ich habe gerade Ibuprofen genommen. Es geht. Denk dran, lass dich nicht an einer Stelle erwischen, wo sie alle auf einmal auf dich losgehen können. Versuch alles, um sie getrennt zu halten. Vergiss nicht, wenn sie von der …«
    »Nein, vergess ich nicht.«
    Ich startete den Generator. Den pochenden Rhythmus empfand ich irgendwie als beruhigend. Eigentlich brauchte ich ihn gar nicht mehr – alle Geräte waren aufgeladen, aber ich wollte die empfindlichen Ohren der Vampire reizen und ihnen eine Botschaft senden: Hier bin ich. Kommt und holt mich.

30
    Belagerung
    Ich legte mir den Zimmermannsgürtel mit den Halterungen für Werkzeuge und Klettverschlusstaschen um. Wir waren zu dem Schluss gekommen, dass es am besten war, nicht zu viel mitzuschleppen. Die größte Waffe, die ich bei mir trug, war deshalb der Winkelschneider mit Diamantscheibe.
    Damit rannte ich über die Kante des Turmdachs hinaus und warf mich ins Leere. Ich landete auf dem langen Eisenarm, mit dem einst die Raketentriebwerke über einen Schacht gehängt worden waren. Durch den Schacht war der

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