Verletzlich
sackte er in sich zusammen.
Plötzlich nahm ich hinter mir eine Bewegung wahr. Schnell schwang ich die Düse herum.
Nicht schnell genug. Der zweite Bruder hatte sich bereits auf mich geworfen und drückte mich gegen das Geländer. Vor Angst und Schmerzen schrie ich laut auf. Mein Rücken wurde brutal nach hinten gebogen. Fluchend boxte mir der perdu mit den Fäusten in den Magen; wenn der Sandstrahler nicht so schwer gewesen wäre und ich mich nicht daran hätte festhalten können, wäre ich abgestürzt.
Mit den Beinen verhakte ich mich in den Metallstreben des Geländers und versuchte die Düse auf den Angreifer zu richten, aber er war zu nah – die Sandfontäne blies zwischen uns in die Luft.
Spuckend und fluchend kämpften wir um die Düse. Der Vampir war größer und stärker als ich. Er drückte mich mit all seiner Kraft zurück und zerrte an dem Strahler. Die Werkzeuge in meinem Gürtel stachen mir in den Bauch, aber ich wollte die Düse nicht loslassen, um sie zurechtzurücken.
Inzwischen hing mein Oberkörper fast waagerecht in der Luft. Unter mir ging es mehr als 15 Meter in die Tiefe. Der Sturz würde mich nicht umbringen, der perdu hingegen schon, so geschockt und hilflos wie ich hier hing.
Ich begann abzurutschen, ein Fuß hatte bereits keinen Halt mehr …
Der Vampir sah mich triumphierend an, sein Gesicht war so nah, dass ich in seine Nasenlöcher hinaufschauen konnte.
»Auf Wiedersehen, bonne femme .«
Die Nasenlöcher hinauf.
Ich gab den Versuch, die Düse zurückzuziehen auf und drückte sie dem Vampir stattdessen auf die muskulöse Brust, sodass ihm der Sandstrahl direkt in die Nase blies.
Jetzt riss auch dieser perdu vor Schreck die Augen weit auf, als ihm der Sand mit Hochdruck in die Stirnhöhle schoss. Einen Moment lang sah es so aus, als würde sich jeder Teil seines Gesichts aufblähen; die Augen traten fast aus den Höhlen und die Haut färbte sich dunkelrot.
Der Vampir wankte rückwärts. Er hielt sich die Hände vors Gesicht und das Blut spritzte zwischen seinen Fingern hindurch. Reglos stand ich am Geländer und beobachtete ihn. Er blickte in meine Richtung, aber es war deutlich, dass er mich nicht sehen konnte. Am ganzen Körper zitternd stolperte er nach vorn und stürzte dann vor meinen Füßen zu Boden. Reglos blieb er liegen.
Noch immer hatte ich die Hand auf dem Knopf und blies Sand in die Luft. Als ich ihn losließ, merkte ich, wie ich schnaufte. Der Vampir rührte sich nicht.
Ich fuhr herum und hielt nach seinem Bruder Ausschau.
Er war nirgends zu sehen.
Suchend blickte ich nach oben. Ungefähr drei Meter über meinem Kopf befand sich eine kleine Metalltür mit einer Plattform davor. Die Tür war geschlossen, aber das Schloss hatte ich bereits vorher aufgebrochen. Ich warf die Düse fort, schwang mich auf die Plattform und hechtete durch die Tür, die ich hinter mir zuschlug. Schnell verkeilte ich eine Stange als Verriegelung davor, fiel keuchend auf die Knie und versuchte nicht zu heulen.
»Nein. Nein. Nein.«
Nach einer Weile hatte ich mich ein wenig beruhigt, fürchtete aber, dass jeden Moment jemand die Tür eintreten könnte. Ich befand mich in einem Gang, der von einer Seite des Turms auf die andere führte. Überall hingen Rohre und Kabel herab und diverse Schläuche und alte elektrische Schalttafeln lagen herum.
Hier würde ich bleiben können. Diesen Ort hatten wir als letzten Rückzugsort für den Notfall vorgesehen. Ich starrte geradeaus. Die Zeit verging – wie viel wusste ich nicht. Sekunden? Minuten? Sagan hatte gesagt …
Plötzlich wurde mir bewusst, dass er die ganze Zeit in mein Ohr redete.
»Emma! Was ist passiert? Ist alles in Ordnung?«
»Ja, ja, mir … mir geht es gut!« Ich versuchte nicht zu heulen.
»Wo bist du?«, wollte Sagan wissen. »Ich sah jemanden fallen. Danach habe ich immer wieder angerufen. Ist wirklich alles in Ordnung? Bist du verletzt?«
Seine Stimme zu hören, war wie ein großes Glas frisches, kühles Wasser zu trinken. Laut schluchzend rief ich: »Ich habe dir doch gesagt, dass alles in Ordnung ist. Ich bin auf Position acht und die Tür ist verrammelt.«
»Bist du dort sicher? Was ist los gewesen?«
»Ich habe … ich habe zwei von ihnen mit dem Sandstrahler erwischt. Die beiden jungen Typen, die wie Brüder aussehen.«
»Sind sie … sind sie tot?« Ich vernahm ein Beben in Sagans Stimme.
»Ich weiß nicht. Ich habe keine Ahnung! Einen habe ich blind gemacht. Ich glaube, er ist abgestürzt. Der
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