Verletzlich
mir. Nicht einmal, um von der Galerie zu springen, blieb Zeit. Ich musste mich auf einen Zusammenstoß einstellen.
»Tuez-la, tuez-la, tuez-la!«
Bastien rammte mich mit der Wucht eines außer Kontrolle geratenen Autos. Ich flog gegen die Verkleidung des Turms. Eine der großen Schrauben bohrte sich schmerzhaft in meinen Rücken.
Der gedrungene Vampir warf sich auf mich. Der Geruch nach Chlor und seinem ungewaschenen Körper drang mir in die Nase. Der Lauf der Nagelpistole wurde von seinem dicken Bauch zur Seite gedrückt und nach unten gedreht. Die Pistole ging los und ein Nagel landete in meinem Fuß.
Ich schrie mehr vor Überraschung als vor Schmerzen. Den Nagel spürte ich überhaupt nicht. Alles, was ich spürte, war der Schrecken, mich in Bastiens Fängen zu befinden.
Die Pistole fiel zwischen uns und Bastien drückte seine fleischigen Finger in meine Kehle. Die Narbe auf seiner Nase war leuchtend rot und seine Augen glänzten vor Hass. Um die Nagelköpfe herum quoll Blut hervor und lief ihm übers Gesicht.
Ich versuchte meine Hände zu befreien, doch der schwere Oberkörper des Vampirs hielt meine Arme unten. Ich bekam kaum noch Luft. Er quetschte das Leben aus mir heraus. Dann fühlte ich plötzlich etwas Hartes, Metallisches an der Hüfte. Den Winkelschneider.
Zwar gelang es mir, ihn aus dem Gürtel zu ziehen, aber weiter konnte ich ihn nicht heben. Bastien hatte noch immer die Hände an meiner Kehle und drückte sie immer fester zu. Mir wurde schwarz vor Augen, ich verlor das Bewusstsein …
Mit dem Daumen legte ich den Schalter des Winkelschneiders um und die Scheibe begann kreischend sich zu drehen. Ich stieß sie dem perdu mit geballter Vampirkraft in den Körper und zog sie dann im Bogen hinauf …
Bastiens Augen traten hervor. Die Diamantscheibe fräste sich mit einem schmatzenden Geräusch in sein Bauchfleisch und warmes Blut spritzte mir auf die Hände. Immer tiefer presste ich das Werkzeug in ihn hinein. Bastien ließ meine Kehle los und griff verzweifelt nach dem Schneider, doch die Scheibe trennte ihm die Finger ab.
Der perdu bemühte sich vergeblich, mich wegzuschieben. Dann versuchte er sich an meinen Schultern, an den Armen und sogar im Gesicht festzukrallen. Überall beschmierte er mich mit Blut, aber die Kraft wich mehr und mehr aus seinen mächtigen Armen.
Er taumelte einige Schritte rückwärts. Dann drehte er sich um und floh wankend über die Galerie. Nach drei Schritten sackte er jedoch in sich zusammen. Winselnd rollte er auf den Rücken. Sein Körper bebte, die Augen waren geöffnet. Dann wurde er ruhig. Am ganzen Körper. Noch immer hatte er Nägel im Gesicht.
31
Am Boden
Hustend krümmte ich mich. Noch immer spürte ich den Druck von Bastiens dicken Fingern am Hals. Ich ließ den Winkelschneider fallen und hielt mir die vom Blut des perdus verschmierten Hände vors Gesicht.
»Emma! Emma, bitte!«
Plötzlich wurde mir bewusst, dass Sagan mir schon wieder – ich weiß nicht wie lange – ins Ohr gebrüllt hatte, doch für einen Moment war ich unfähig zu antworten. Ich hatte keine Ahnung, wie ich die Worte formen sollte.
Schmerz holte mich aus der Schockstarre. Mein Rücken quälte mich an der Stelle, wo sich die Schraube hineingedrückt hatte, und in meinem Fuß pochte es. Als ich ihn anhob, sah ich, dass Blut aus dem Schuh tropfte. Ich zog ihn aus. Der Nagel hatte sich oberhalb des fleischigen V zwischen zwei Zehen durch den ganzen Fuß gebohrt.
Ich zog den Schuh wieder an. Mein Herz schien außerhalb meiner Brust zu schlagen. Hier konnte ich nicht bleiben. Mindestens drei perdus waren noch übrig. Wenn der abgestürzte dunkelhäutige Bruder sich wieder erholt haben sollte, waren es sogar vier. Hektisch sah ich mich um, konnte aber nirgends etwas Lavendelfarbenes entdecken. Wahrscheinlich hielten sie sich versteckt und formierten sich neu, jetzt da sie wussten, dass ich bewaffnet war.
»Sagan.« Meine Stimme klang so krächzend, dass ich bezweifelte, er würde mich über sein eigenes, verzweifeltes Rufen hinweg überhaupt hören. »Sagan! Jetzt sei doch mal still. Hör zu …«
»Emma! Gott sei Dank, Gott sei Dank, du bist da! Erst habe ich Lärm gehört, aber dann … nichts mehr! Und du hast nicht geantwortet! Ich hatte solche Angst, dass du – um Himmels willen, Emma, was ist passiert?«
»Er ist … tot. Bastien ist tot.«
»Wie?«
»Egal. Was ist … was ist mit dem Rest?«
»Ist bei dir alles in Ordnung?«
»Ja, aber ich brauche deine
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