Verletzlich
pulsierende Blut auszusaugen.
Wie gelähmt betrachtete ich die Szene. George, der auch am Kopf blutete, jaulte auf wie ein verwundetes Tier und versuchte dem anderen perdu den Arm aus dem Mund zu reißen. In verworren klingendem Französisch stammelte er: »Vous êtes le mort de moi. Vous êtes le mort de moi.«
Was die Worte bedeuteten, wollte ich gar nicht wissen. Der blutsaugende Vampir hatte sich in dem Arm festgebissen wie ein Hai.
Die Axt lag noch immer an der Stelle, wo ich sie abgelegt hatte, keine drei Meter von den beiden miteinander ringenden Vampiren entfernt. Plötzlich war mein Trancezustand durchbrochen und ich hob sie schnell auf.
Tu es. Das ist deine Chance. Töte sie. Bring sie beide um.
Ich hob die Axt und umfasste den Griff so fest, dass ich befürchten musste, er würde ihm nicht standhalten. Meine Hände zitterten. Der trinkende Vampir blickte nicht einmal auf. Er war so gierig, monströs und rücksichtslos, dass ich …
Ich konnte es nicht. Ich konnte es nicht tun. Ich ließ die Axt sinken und ließ sie in meinen Gürtel gleiten. Dann machte ich mich auf den Weg zu der Leiter …
Jemand fiel mir in den Rücken und ich landete bäuchlings ausgestreckt auf dem Boden. Die Axt flog mir aus der Hand. Der Vampir, der an Georges Arm gesaugt hatte, war über mir. Sein Gesicht erinnerte an ein blutverschmiertes Tier. Er drückte meine Handgelenke nach unten und, in dem Versuch, an meine Kehle zu gelangen, bewegte er den Kopf ruckartig vor und zurück. Ich versuchte ihm auszuweichen, doch mehr konnte ich nicht tun, um ihn am Zubeißen zu hindern.
Gierig näherte er sich mir mit gestrecktem Hals. Dabei gab er ein schrilles Kreischen von sich, verzweifelt darum bemüht, mich nicht zu töten, sondern zu verkonsumieren. Blut von seinen Lippen tropfte mir aufs Gesicht, ich konnte seinen Atem spüren, die roten Kratzer in seinen Augen sehen. Ich drehte den Kopf zur Seite, aber er bewegte den Mund immer weiter nach unten …
Plötzlich vernahm ich einen durchdringenden Schlag und danach noch einen. So gewaltig, dass mein ganzer Körper bebte. Die zornigen Augen des perdus wirkten plötzlich leer; Blut sammelte sich auf meiner Brust und lief mir übers T-Shirt.
Der Vampir sackte gegen mich. Jemand stand mit der langstieligen Hacke über ihm.
Es war Donne.
»Du bist gekommen, Gott sei Dank«, seufzte ich erleichtert. »Gott sei Dank.«
Ich schob den Kopf des toten Vampirs zur Seite und rappelte mich hoch. Donne ließ die Hacke fallen und blickte entsetzt auf ihre Hände.
»Was habe ich getan … was habe ich nur getan …«, stammelte sie, lief zum Turm zurück und warf sich in Lenas und Antons Arme.
Wortlos blickten sie mich an. Plötzlich wurde mir bewusst, wie ich aussehen musste: Schwitzend, zornig und keuchend stand ich vor ihnen. Gesicht, Hals und Arme waren voller Blut und auch die Kleidung war übersät mit getrockneten schwarzen Flecken. Selbst die Finger klebten davon.
»Was hätte ich denn tun sollen?«, rief ich und flehte sie mit blutigen Händen an. »Ruhig stehen bleiben und warten, bis sie mich töten.«
Anton wollte etwas sagen, doch Lena hob die Hand.
»Du hättest fliehen sollen. Dich verstecken. Das hättest du tun sollen. Wir haben alle unsere Opfer erbracht. Unser Leben können wir nicht ändern. Das liegt nicht in unserer Hand. L’éruption du soleil …
»Ich habe keine Lust, auf irgendein mysteriöses Sonnenereignis zu warten, während sie meine Familie abschlachten!«, knurrte ich. »Für so etwas habe ich keine Zeit. Sagan ist dort unten – vielleicht sind sie bereits hinter ihm her!«
»Du bist ein œil «, sagte Lena. »Wir haben deinen Ruf gehört. Wir sind gekommen, um dich zu beschützen.«
»Dann kämpft mit mir gegen sie!«
»Nein, aber wir können dich hier rausholen.«
Am liebsten hätte ich sie geschüttelt. »Was ist nur los mit euch? Ist es euch egal, wen sie umbringen? Wenn wir nichts tun, werden Menschen, die ich liebe, heute Nacht sterben! Wenn ihr mir nicht helft, seid ihr wie sie. Nein. Schlimmer. Ihr seid Feiglinge – wenn die soleils so sind, könnt ihr mir gestohlen bleiben.«
Ich wollte zurück auf den Arm hinauslaufen.
Aber Lena zog mich zurück. »Emma, bleib stehen!«
Ich war kurz davor, sie zu schlagen, doch irgendetwas in ihrem Blick brachte mich dazu die Hand sinken zu lassen.
»Ich war es«, brachte sie schluchzend hervor. »Ich habe die Gruppe angeführt, die la Mangeuse angegriffen hat. Ich habe sie in den Tod
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