Melodie, vollkommen unpassend für den Augenblick.
Bjarne geht zu den anderen in der Küche. »Sie haben wirklich einen netten Jungen«, sagt er zu Martine Elvevold. »Ich glaube, er wird das gut verarbeiten.«
Ulriks Mutter lächelt dankbar. »Konnte er Ihnen helfen?«
»Das konnte er«, sagt Bjarne und nickt.
»Ich glaube, ich lasse ihn heute Nachmittag zu ein paar Freunden gehen. Wenn er Lust hat. Vielleicht hilft ihm das, wieder der Alte zu werden.«
Sandland lächelt und stellt die Tasse ab. »Das hört sich vernünftig an.«
14
Die Worte treffen Trine hart. Sie ringt nach Luft. Der Raum scheint sich zu drehen, und sie muss sich setzen, um nicht hinzufallen. Sie stemmt die Ellenbogen auf die Schreibtischplatte, beugt sich vor und legt beide Hände an die Stirn. Das Haar fällt ihr vor die Augen und bildet einen Schild, der sie nicht schützen kann.
Die E-Mail kommt von
[email protected] . Trine geht davon aus, dass der Verfasser von einer IP -Adresse aus operiert hat, die nicht aufzuspüren sein wird. Außerdem will sie auf keinen Fall den Sicherheitsdienst einschalten und noch mehr Leute in die Sache hineinziehen.
Da fällt ihr ein, dass ihre Sekretärin Kopien sämtlicher E-Mails bekommt, die an ihre offizielle Adresse als Justizministerin geschickt werden. Trine springt so schnell auf, dass ihr wieder schwindelig wird, hat sich aber gleich darauf wieder gesammelt. Sie öffnet die Tür. Ihre Sekretärin ist nicht am Platz.
Glück gehabt.
Trine wirft einen raschen Blick den Flur hinunter, hört Stimmen und Geräusche, sieht aber niemanden. Sie tritt hinter den Schreibtisch, greift nach der Maus, klickt den Mail-Eingang an und löscht die Nachricht von luege0910. Dann öffnet sie den Papierkorb und löscht die Nachricht auch dort. Danach beeilt sie sich, wieder in ihrem Büro zu verschwinden, ehe jemand sie entdeckt. Sie schließt die Tür, lehnt sich von hinten dagegen und presst hektisch atmend die Lider zusammen. Nur nicht in Tränen ausbrechen.
Wie konnte jemand herausfinden, was sie getan hat? Wer hat es auf sie abgesehen?
Es mangelt nicht an Widersachern in ihrem Umfeld, weder im Ministerium noch bei der Polizei oder in der Partei. Sicher haben sich einige Leute übergangen gefühlt, als sie zur Justizministerin ernannt wurde. Worte wie Frauenquote machten damals die Runde – und dass Trine den Job nie bekommen hätte, wenn der Ministerpräsident nicht gezwungen gewesen wäre, eine Frau zu ernennen. Ihre Gegner werden sich jetzt ins Fäustchen lachen, denkt sie. Aber wer von ihnen könnte herausgefunden haben, was sie getan hat? Sie hat doch mit niemandem darüber gesprochen.
Trine schüttelt den Kopf, tritt hinter ihren Schreibtisch und setzt sich. Checkt ihr Handy. Sechzehn unbeantwortete Anrufe in nur zwanzig Minuten. Kein einziger davon von Regierungskollegen, nicht ein Pieps von einer ihrer Freundinnen. Vielleicht hat sie in Wirklichkeit ja gar keine.
Ein Klopfen an der Tür lässt sie zusammenfahren. Sie zieht die Nase hoch, richtet sich auf und blinzelt ein paarmal. Die Tür geht langsam auf, und Harald Ullevik schaut herein. »Hallo«, sagt er mit sanfter Stimme. »Darf ich?«
Trine ist noch nicht in der Lage, etwas zu sagen, und nickt nur.
Der Staatssekretär tritt ein, schließt die Tür hinter sich. Macht einen langsamen Schritt in den Raum, presst die Handflächen aneinander und sieht sie an.
»Tu mir einen Gefallen«, sagt sie. »Kein Mitleid. Das verkrafte ich jetzt nicht.«
Ullevik sagt erst nichts, nickt aber. »Ich wollte nur fragen, ob ich irgendetwas für dich tun kann.«
»Du kannst VG verklagen«, sagt sie halb ernst, halb im Scherz. »Natürlich nicht.« Sie winkt ab und seufzt. »Ich weiß es verdammt noch mal auch nicht.«
Ullevik steht reglos da. Die Stille hallt von den Wänden wider. »Trine, ich …« Der Staatssekretär senkt den Blick, fährt mit der Schuhspitze über den Boden.
»Was ist los, Harald?«
Es dauert einen Moment, ehe er den Kopf hebt und sie wieder ansieht. »Du sollst nur wissen, dass du … meine volle Unterstützung hast. Egal, was kommt. Du hast hervorragende Arbeit als Justizministerin geleistet. Du bist die Beste, die wir seit Jahr und Tag hatten.«
Jetzt nicht weinen, redet Trine sich zu. Du fängst jetzt verdammt noch mal nicht an zu heulen.
»Wenn du irgendetwas brauchst … Zögere nicht, dich zu melden. Okay?«
Diese verfluchten Augen.
»Mach ich«, presst sie hervor. Ihre Mundwinkel beben. »Dank dir, Harald. Es