Verleumdet: Ein Henning-Juul-Roman (German Edition)
ziemlich oft mit ihm bei der Arbeit. Er ist ein gern gesehener Gast. Vielleicht hat er in der Schule Steintrolle gebastelt und sie den Alten geschenkt. Erna Pedersen könnte einen Troll bekommen haben, was wiederum bedeuten würde, dass der Mord nicht wirklich geplant war. Aber darauf deutet ja auch schon die Verwendung der Bibel hin, die Erna Pedersen auf ihrem Nachtschränkchen liegen hatte.«
Bjarne merkt, dass ihm warm wird.
»Du meinst also, dass der Täter zufällig zur nächstbesten Waffe gegriffen hat?«, fragt Gjerstad.
Bjarne nickt.
Es wird ein paar Sekunden lang still im Raum.
»Eine gute Theorie«, sagt Gjerstad schließlich.
»Da ist noch eine Sache«, sagt Bjarne und berichtet kurz von Nielsen und Sunds Tour hinauf zum Holmenkollen.
»Und Sie sind sich sicher, dass es Ole Christian Sund war, der Pernille Thorbjørnsens Wagen gefahren hat?«, fragt Nøkleby.
»Es ist höchst wahrscheinlich«, sagt Bjarne mit einem Nicken.
»Aber Sie wissen nicht, wo sie abgeblieben sind oder was sie da oben getrieben haben?«
»Nein, aber dieser Nielsen ist irgendwie nicht sauber, da bin ich mir sicher. Und zumindest eine Lüge kann ich ihm bereits nachweisen. Er war heute Morgen nicht, wie er behauptet, in Sveins Gym, um Sport zu treiben. Das habe ich überprüft.«
»Was für ein Idiot!«, sagt Hagen.
»Ja, so ist es«, sagt Bjarne. »Aber auf mich wirkte das wie eine Notlüge. Er wollte nicht sagen, wo er sich wirklich aufgehalten hat oder was er getan hat, und so hat er einfach irgendetwas aus dem Hut gezaubert.«
»Dann ist er aber nicht gerade ein gerissener Verbrecher«, sagt Nøkleby. »Die lügen nicht bei etwas, das wir so einfach überprüfen können.«
»Nein«, sagt Bjarne. Trotzdem beunruhigt ihn Nøklebys Einwand. Nur ein Amateur verrät sich auf derart plumpe Weise. Das ist nicht die Vorgehensweise eines Mannes, der Stricknadeln in die Augen einer alten Frau schlägt. Das ist viel zu roh und brutal. Trotzdem ist er sich sicher, dass bei den Hilfspflegern im Pflegeheim irgendetwas läuft, er weiß nur noch nicht, wie er die Sache angehen soll – oder ob das auch nur das Geringste mit dem Tod von Erna Pedersen zu tun hat.
»Haben wir sonst noch was?«, fragt Gjerstad.
Niemand ergreift das Wort.
»Gut.« Gjerstad steht auf. »Was denkst du, Pia? Nielsens Wohnung zuerst und das Altersheim anschließend?«
Pia Nøkleby nickt.
32
Hennings Hüfte schmerzt, als er von der Tribüne nach unten steigt. Seine Beine fühlen sich steif an, und er schüttelt sie leicht, um die Blutzirkulation in Gang zu bringen.
Er bleibt am Spielfeldrand stehen und beobachtet Adil und seinen Freund, die sich auf den Boden gesetzt haben. Sie reden nicht miteinander, sondern beobachten bloß still die anderen, die auf dem Kunstrasen Fußball spielen.
Henning dreht sich um und hält nach dem Vater des Jungen Ausschau: dem Mann, den er am Sonntagabend vor dem Grünerhjemmet getroffen hat und der so schnell zurück zu seinem Sohn wollte. Zu seinem Sohn, der als Erster gesehen hat, dass etwas Schreckliches mit Erna Pedersen geschehen war.
Henning duckt sich unter der Spielfeldbegrenzung hindurch und nähert sich den Jungen vorsichtig.
»Hei«, sagt er. Nur der Blonde dreht sich zu ihm um. Henning tritt näher.
»Bist du auch United-Fan?«, fragt er Adil und zeigt auf den Wayne-Rooney-Aufkleber auf der Vorderseite seiner Sporttasche. Der Clubname lässt nun auch Adil aufblicken.
»Ist Rooney dein Lieblingsspieler?«
Es dauert ein paar Sekunden, dann nickt er.
»Meiner auch. Aber eigentlich mag ich alle Spieler von ManU.«
Henning lächelt und sieht nun auch bei Adil ein Zucken im Mundwinkel.
»Ich sitze oft hier und sehe euch beim Training zu. Habt ihr Lust, einen Trick zu lernen?«
Der Blonde sitzt unruhig am Boden. Adil sieht zu Henning auf. Sein Blick ist jetzt wacher.
»Kommt schon, steht mal auf.«
Adil zögert.
»Jetzt kommt schon«, wiederholt Henning. »Ich verspreche euch, dass es klappt.«
Er streckt die Hand aus, als wolle er Adil aufhelfen, aber der Junge nimmt sie nicht. Stattdessen sieht er seinen Freund an, ehe er sich aus eigener Kraft erhebt.
»Hast du einen Ball in deiner Tasche?«
Bedächtig zieht Adil die Schnüre auf und holt einen Ball heraus.
»Hey, ein ManU-Ball! Das ist ja klasse«, sagt Henning. Auf dem Ball sind die Gesichter sämtlicher Spieler aufgedruckt. Henning drückt ihn zusammen. Ein bisschen wenig Luft, aber es wird schon gehen.
»Jetzt passt auf«, sagt er und legt
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