Verleumdet: Ein Henning-Juul-Roman (German Edition)
über sie aufgewirbelt. So soll sie eine interne Erhebung über die Arbeitsbedingungen im Justizministerium manipuliert haben, weil sie selbst schlecht darin wegkam. Außerdem soll sie scheinbar grundlos eine Angestellte entlassen haben. Auch die Abrechnungen ihrer Geschäftsreisen weisen angeblich Lücken auf. Sie hat Geschenke angenommen, ohne sie registrieren zu lassen oder bei der Steuer anzugeben. Während einer Indienreise hat sie vom dortigen Justizminister einen Teppich geschenkt bekommen, der jetzt zu Hause bei ihr im Gästezimmer liegt. Und letztes Jahr an Weihnachten hat sie eine 3,5-Liter-Flasche Whisky von der Presseloge des Stortings angenommen und sie nicht wie vorgeschrieben gemeldet.
Auch eine ganz alte Sache wird wieder ausgegraben. Vor zwei Jahren ist sie in der Business Class in die USA gereist, obwohl es in dem Flieger noch normalpreisige Tickets gegeben hätte. Zu häufig und obendrein teuer zu reisen ist nicht gerade populär. Und was war eigentlich mit dem Kochkurs, den sie von Arne Brimi geschenkt bekommen hat?
Das Haus, das Trine und ihr Ehemann im Vorjahr für 17,8 Millionen Kronen gekauft haben, wird noch einmal gesondert behandelt. In mehreren Medien wird kolportiert, dass kein »normaler« Arbeiterpartei-Politiker so wohne. Das Zitat eines nicht namentlich genannten Parteikollegen gießt zusätzliches Öl ins Feuer: »Nicht viele von uns können sich so etwas leisten. Und eine Haushälterin soll sie ja auch haben.« Und die Hütte auf Hafjell mit vier, wenn nicht gar fünf Schlafzimmern? Pfui, pfui. Dass Trines Mann diese Dreckschleuder von Porsche fährt, spricht auch nicht gerade für die beiden. Und seit wann ist es überdies in Ordnung, dass eine Staatsbeamtin so kurze Röcke anhat und drei Monate lang den Schmuck eines der vornehmsten Juweliere Oslos trägt?
Die Opposition nutzt die Gelegenheit, eine »Was sie versprochen, aber nicht gehalten hat«-Liste vorzulegen. Alles, was Trine in den letzten drei Jahren getan hat und was auch nur ansatzweise negativ gedeutet werden kann, landet in dem Kübel, auf dem »Rufmord« steht. Und es wird noch mehr kommen.
Statt sich an seinen Schreibtisch zu setzen, macht Henning einen Abstecher zum Nachrichten-Desk, wo er das Fax findet, das am Vorabend auch bei ihnen eingegangen ist. Dann sucht er Kåre Hjeltland. Der Blick des Redaktionschefs klebt an einem Computerbildschirm. Sein Haar steht wie üblich in alle Himmelsrichtungen ab, als hätte er im Büro geschlafen und es nicht mehr unter die Dusche geschafft, bevor neue Storys seine ganze Aufmerksamkeit forderten.
»Hast du zwei Minuten, Kåre?«, fragt Henning und bleibt vor ihm stehen. Hjeltland registriert ihn, nickt, hämmert eine weitere halbe Minute hart auf die Tastatur ein, ehe er so unvermittelt aufspringt, dass sein Stuhl einen Riesensatz nach hinten macht.
»Was ist?«, ruft er.
Henning wartet, bis Hjeltlands flackernder Blick sich ein wenig beruhigt hat.
»Du bist dir im Klaren darüber, dass dies hier die reinste Schmierenkampagne ist, oder?«
Hjeltland verschränkt die Arme vor der Brust.
»Diese Berichterstattung gegen Trine«, fährt Henning fort. »Seit gestern Morgen kommt VG in regelmäßigen Abständen mit Andeutungen. Dieses Material können sie unmöglich an einem einzigen Tag zusammengetragen haben. Sie müssen schon eine ganze Weile davon gewusst und das Ganze gründlich vorbereitet haben.«
Hjeltland sieht Henning fragend an. »Ja und?«
» Und? Findest du das nicht bedenklich?«
»Überhaupt nicht. Wir hätten es genauso gemacht, wenn uns eine Story von solchen Dimensionen in den Schoß gefallen wäre.«
»Du findest es also nicht problematisch, dass eine Sache wie diese bewusst der größten überregionalen Zeitung zugespielt wird? Die das Ganze druckt, noch ehe Trine auch nur den Hauch einer Chance hat, auf die Vorwürfe zu reagieren?«
Hjeltland will etwas sagen, aber Henning ist noch nicht fertig.
»Und sag jetzt nicht, dass sie es probiert haben. Das ist Bullshit. Gerade weil sie schon länger davon wissen, hätten sie reichlich Gelegenheit gehabt, Trine damit zu konfrontieren, bevor sie diese Rufmordkampagne gegen sie fahren. Es ist doch klar, worauf sie aus sind. Und die anderen Medien stürzen sich natürlich auf alles, was auftaucht.«
»Aber …«
»Ich habe nicht einen einzigen Artikel gesehen, der versucht hätte, Trine in Schutz zu nehmen oder die Angelegenheit aus ihrer Sicht zu beleuchten. Doch, was sage ich – mir ist eine kurze Notiz
Weitere Kostenlose Bücher