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Verleumdung

Verleumdung

Titel: Verleumdung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Vad Bruun , Benni Boedker
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musste alles noch einmal von vorn durchdenken, alle Involvierten und ihre Rolle in diesem Drama von Neuem betrachten.
    *
    »Der Kunstraub ist heutzutage ein riesiger Markt, und es sind keineswegs irgendwelche reichen Kunstsammler in der Schweiz oder Menschen wie ich, die diese Diebstähle in Auftrag geben.«
    Christian Schimmelmann ergänzte seinen Satz mit einem dröhnenden Lachen, das möglicherweise selbstironisch sein sollte. Linnea nahm an, dass er übertrieb, um sich vor ihr interessant zu machen.
    »Meistens sind es kriminelle Banden, die Kunstwerke stehlen und sie zum Zweck der Geldwäsche weiterverkaufen. Wenn man Ware an ein Auktionshaus liefert oder dort ersteigert, erfährt nämlich niemand, wer man ist. Damit ist das Geld, das man erhält, sozusagen legalisiert. Denn es lässt sich nicht mehr beweisen, dass es aus einem illegalen Geschäft stammt. Und es ist leichter, gestohlene Kunst am Zoll vorbeizuschmuggeln, als gestohlenes Geld in andere Länder zu überweisen.«
    Linnea fand es widerlich, wie stolz dieser Mann darauf zu sein schien, Teil des Schwarzmarkts für Kunst und Kulturerbe zu sein. Aber sie wusste, dass er mit allem, was er sagte, recht hatte. Sie hatte selbst ein wenig im Netz gesurft und herausgefunden, dass allein bei Interpol über 13 000 Malereien, Skulpturen und Ikonen als gestohlen gemeldet waren, darunter Museumswerke von Goya, Bruegel, Tizian und Turner. Im Art Loss Register waren zehnmal so viele Diebstähle eingetragen. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion hatten organisierte kriminelle Banden dort große Mengen an Kunst gestohlen. Mittlerweile waren auch Banden aus Südeuropa, die Mafia und südamerikanische Drogenkartelle involviert. Hinzu kam neuerdings auch, dass viele Kulturschätze aus Afghanistan und dem Irak von Aufständischen geraubt und weiterverkauft wurden, um damit ihre Waffen und Terroraktionen zu finanzieren.
    »Aber das muss doch entdeckt werden«, sagte sie. »Man kann doch wohl nicht so große Sammlungen mit illegaler Kunst besitzen, ohne dass es jemand herausfindet?«
    Schimmelmann schüttelte den Kopf.
    »Nur Leute, die prahlen, werden entdeckt. Warum, glaubst du, habe ich dich all das sehen lassen? Weil ich dich kenne. Du hast nicht vor, es weiterzuerzählen. Ein norwegischer Bekannter musste eine riesige Sammlung von magischen Schalen aus Mesopotamien abliefern, mit denen man damals glaubte, böse Geister einfangen zu können. Er besaß mehrere Hundert davon, die wahrscheinlich aus Plünderungen im Irak während des ersten Golfkriegs stammten. Und warum wurde seine Sammlung entdeckt? Weil er sie ans British Museum auslieh, als er zu eitel wurde und der ganzen Welt zeigen wollte, was er besaß.«
    Er ließ seinen stolzen Blick erneut über seine wertvollen Antiquitäten schweifen.
    »Außerdem ist es natürlich so, dass man diese Sachen unmöglich genau rückverfolgen kann. Sie kommen ja von überall her. Man denke nur mal an die enormen Plünderungen im Irak in der Zeit direkt nach dem Einmarsch der Amerikaner 2003. Das Nationalmuseum in Bagdad wurde fast vollständig geplündert, und die Ausgrabungen der versunkenen assyrischen Paläste in Babylon wurden ganz ungehindert geräumt – und das teilweise direkt neben der amerikanischen Basis. Natürlich wurden auch viele Soldaten mit Gegenständen erwischt, die sie nach ihrem Einsatz nach Hause schmuggeln wollten, aber das sind nur Kleinigkeiten. Ich wette, dass sich ringsherum überall große Lager befinden, die nur darauf warten, verkauft zu werden, sobald sich der erste Sturm gelegt hat.«
    Schimmelmann schien angesichts dieses Gedankens schon ganz enthusiastisch. Linnea stand auf und bedankte sich für seinen Vortrag. Sie hatte genug von seinen widerlichen Geschichten, war sich aber nicht sicher, ob sie dadurch viel schlauer geworden war. Sosehr sie auch nachgebohrt hatte – er wollte nicht damit herausrücken, wo er selbst seine Ware bezog, abgesehen von den Auktionshäusern natürlich. Er deutete lediglich an, dass er auch persönliche Verbindungen hatte, ohne näher darauf eingehen zu wollen.
    Sie ging in den Flur, um ihre Jacke zu holen. Schimmelmann folgte ihr und erging sich sicher in Phantasien über ihr dünnes Sommerkleid. In einem Punkt war der mühsame Ausflug nach Klampenborg aber doch hilfreich gewesen: Sie glaubte nicht mehr daran, dass die Tafel aus dem unfreiwilligen Grab des Irakers lediglich ein Souvenir war. War er möglicherweise in den Handel mit diesen Kunstschätzen in

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