Verleumdung
Dänemark verstrickt gewesen? Und bedeutete das, dass auch Jonas Holm Neergaards Tod etwas damit zu tun hatte? Sie schob den Gedanken von sich. Einerseits war sie noch immer der Meinung, etwas unternehmen zu müssen. Andererseits bewegte sie sich mit ihrer investigativen Arbeit, von der sie in Wirklichkeit nicht viel verstand, ohnehin schon auf dünnem Eis.
Sie drehte sich zu Schimmelmann um, der keine Anstalten machte, ihr die Tür zu öffnen.
»Hatten wir nicht noch eine Sache offen von unserem letzten Treffen?«, fragte er dann. »Obendrein bist du mir doch jetzt wohl einen Gefallen schuldig.«
»Wollten Sie nicht gerade nach Skagen fahren?«
Linnea schob sich an ihm vorbei und öffnete die Tür.
»Sie sollten lieber zusehen, dass Sie loskommen, wenn Sie noch vor Anbruch der Dunkelheit da sein wollen. Sonst finden Sie den Weg zu Ruths Hotel nicht mehr und der Sternekoch hat schon Feierabend gemacht. Und Sie wollen doch wohl nicht Ihren geliebten Krabbencocktail verpassen?«
50
J etzt schuldest du mir eine richtig gute Erklärung!«, fluchte Linnea.
Sie konnte ihren lauten Ausbruch nicht zurückhalten, und eine vorbeifahrende Radlerin sah sich verwundert nach ihr um. Auf ihrem Rückweg von Klampenborg hatte sie im Rechtsmedizinischen Institut vorbeigeschaut und war gerade zu Fuß auf dem Weg über die Fredensbrücke gewesen, als der Blackberry piepte. Sie überflog die eingegangene Mail auf dem Weg zum Sølvtorv. Es handelte sich um das Ergebnis ihrer Anfrage beim Handelsregister, wo sie nach dem Eigentümer der Firma gefragt hatte, deren Steuernummer sie beim Auktionshaus Ellemose ausgespäht hatte. Sie musste sich zunächst durch eine Reihe von öffentlichen Rechnungen und Mitteilungen über das Registrierungsdatum der Firma und spätere Änderungen scrollen, bis sie endlich zu der Angabe über den Eigentümer gelangte. Das waren zwei Namen, die unter der gleichen Adresse registriert waren. Sie fluchte erneut, überquerte die Straße und ging in den Botanischen Garten, wo sie sich hinter dem Palmenhaus auf eine Bank setzte, um in Ruhe nachzudenken.
Linnea hatte Lex schon gestern den ganzen Tag zu erreichen versucht, so auch an diesem Vormittag, bevor sie zur Arbeit gegangen war. Sie hatte sich Sorgen gemacht, weil sie nichts von ihr gehört hatte und nicht wusste, wie es ihr ging. Aber diesmal hatte sie einen ganz anderen Grund, warum sie die Freundin erreichen musste. Denn die Mail vom Handelsregister besagte, dass die Firma, die höchstwahrscheinlich mit illegal erworbenem Kulturerbe handelte, Lex und Jonas gehörte. Vielleicht hatte sie eine leise Vorahnung gehabt, ohne es wahrhaben zu wollen. Zum einen wegen des geheimnisvollen Kellers unter dem Haus, zum anderen wegen der Tontafel, die wahrscheinlich keineswegs nur ein Souvenir war. Linnea wurde das Gefühl nicht los, dass Lex sie nur ausgenutzt hatte, um an Informationen zu gelangen. Möglicherweise hatte Lex befürchtet, dass die Polizei bei den Ermittlungen zu Jonas’ Tod auch dem halbseidenen Geschäft auf die Spur kam, das die beiden betrieben hatten.
Sie war wütend und fühlte sich zugleich hintergangen. Erst überlegte sie, Christian Schimmelmann anzurufen und ihn zu dem Geständnis zu bewegen, dass er auf Lex und Jonas angespielt hatte, ließ es dann aber doch sein. Wer wusste schon, was Lex ihr noch alles nicht erzählt hatte. Plötzlich kam sie sich wie eine naive Idiotin vor. Vor lauter Freude darüber, wieder eine Freundin zu haben, hatte sie sich manipulieren lassen. Auf dem Handy erreichte sie Lex noch immer nicht, und als sie es auf dem Festnetz versuchte, war dort besetzt. Also war Lex immerhin zu Hause und konnte ihr Rede und Antwort stehen.
Sie ging direkt zum Nørreport und hielt ein Taxi an, um nach Virum zu fahren. Wie so oft kannte der Taxifahrer den Weg nicht. Sie verkniff sich den Kommentar, warum er sich nicht einfach ein Navi zulegte. Immerhin hatte er allein auf die Autobahn nach Helsingør gefunden, wusste dann aber nicht, welche Abfahrt er nehmen sollte. Nachdem sie sich vergewissert hatte, dass der Fahrer begriffen hatte, wo er abbiegen musste, schaute sie auf ihr Handy. Noch immer keine Nachricht von Lex.
Enttäuscht richtete sie sich wieder in ihrem Sitz auf. Sie blickte aus dem Fenster und ließ sich vom Nachmittagsverkehr ablenken. Sie war wahnsinnig wütend auf Lex, weil diese sie so hintergangen hatte. Gleichzeitig musste sie sich eingestehen, dass sie sich große Sorgen um die Freundin machte. Immerhin
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