Verleumdung
betrachtet, ist es Ihnen gleichgültig, weil es nur Asylbewerber sind, und die interessieren uns nicht?«
Linnea war kurz vorm Überkochen, verkniff sich aber weitere Kommentare. Richard Bodilsen betrachtete sie einen Moment lang schweigend, um dann zu einem Vortrag anzusetzen.
»Auch wenn es Sie überraschen sollte – wir sind tatsächlich dabei, der Angelegenheit nachzugehen. Vermutlich gehört unser verstorbener Freund zu jenen Irakern, denen Asyl gewährt wurde, nachdem sie als Dolmetscher für die Besatzungstruppen im Irak gearbeitet hatten. Der Großteil von ihnen kam im Juli 2007 hierher. Knapp vierhundert von ihnen erhielten Asyl. Allein im Laufe der letzten fünf Jahre reisten mehr als dreitausend irakische Asylbewerber wieder aus Dänemark aus. Sie fallen unter die Kategorie ›vermutlich Ausgereiste‹. Als ich vor kurzem bei der Ausländerbehörde anrief, erfuhr ich, was das bedeutet. Dabei handelt es sich um all jene, die ihren Aufenthaltsort in Dänemark verlassen haben, ohne dass die Behörden wissen, wohin sie verschwunden sind. Bei einigen wurde der Asylantrag abgelehnt, die meisten von ihnen aber verschwanden, noch bevor das Asylverfahren abgeschlossen war.«
»Und was ist aus ihnen geworden?«
Richard Bodilsen zuckte mit den Schultern.
»Das weiß keiner. Einige sind vielleicht zurück in den Irak gegangen. Die meisten werden sicherlich illegal in ein anderes Land weitergereist sein, um dort ihr Glück zu versuchen. Und dann gibt es bestimmt auch einige, die in Dänemark untergetaucht sind. Und es liegt geradezu in der Natur der Sache, dass niemand es genau weiß, da sie jetzt Illegale sind. Und der Punkt ist, dass all diese Menschen mehr als drei Viertel von sämtlichen Ausgereisten und abgelehnten Irakern ausmachen. Bleiben also mehrere Tausend Menschen, deren Schicksal ungeklärt ist. Also kann es schon sein, dass unser Skelett aus dem Lammefjord mit diesem Halal oder wie er heißt identisch ist. Oder er gehört zu den mehreren Tausend anderen, über deren Verbleib wir nichts wissen.«
17
U nter dem Vorwand, ihm die Kundenlisten übergeben zu wollen, hatte sich Jonas mit Firaz am üblichen Treffpunkt verabredet. Für gewöhnlich trafen sie sich auf einer alten Bank an einem kleinen Pfad, der einige Minuten Fußweg von der Straße nach Sjællands Odde entfernt lag. Die Gegend wurde immer einsamer, sobald man sich von der verlassenen Imbissbude und den wenigen Autofahrern entfernte, die hier ausstiegen, um sich am Deich vorm Lammefjord die Füße zu vertreten.
Einige Tage zuvor waren Jonas und Lex dorthin gefahren, um die Umgebung zu inspizieren und einen passenden Ort zu finden, an dem Lex sich verstecken konnte, während Jonas sich mit Firaz traf. Idealerweise sollte sie so nah wie möglich bei ihnen stehen, damit sie schnell und ungesehen hinter Firaz auftauchen und ihn mit Jonas’ Pistole bedrohen konnte. Sie fanden schließlich ein nur wenige Meter entferntes Gebüsch, hinter dem sie sich verbergen konnte. Die Pistole war nicht geladen, würde ihre abschreckende Wirkung aber hoffentlich trotzdem nicht verfehlen.
Firaz hatte nervös gewirkt, als er auf Jonas zukam. Er hatte sich mehrmals umgesehen und zum ersten Mal gefordert, Jonas’ Taschen und Kleidung zu durchsuchen. Jonas ließ die Visitation bereitwillig über sich ergehen, setzte sich auf die Bank und forderte Firaz dazu auf, es ihm gleichzutun. Im selben Moment kam Lex angeschlichen.
»Keine Bewegung.«
Sie flüsterte ihm ihren Befehl von hinten zu und bohrte den Pistolenlauf in Firaz’ Hals. Seine Miene erstarrte mitten in einem Grinsen.
»Es gibt da ein paar Sachen, die du uns erzählen solltest, bevor wir uns voneinander verabschieden.«
Jonas genoss seine Überlegenheit und die offensichtliche Angst des Dolmetschers. Er war sich gar nicht darüber im Klaren gewesen, wie sehr er sich nach Rache gesehnt hatte. An diesem kleinen, widerlichen Mann, der seinen geplanten Lebensweg zerstört hatte.
»Ich habe den dringenden Verdacht, dass dein Lager nicht weit von hier liegt. Stimmt das?«
Firaz starrte Jonas hasserfüllt an und spuckte auf den Boden.
Lex, die immer noch hinter der Bank stand, spannte den Abzug der Pistole, und Firaz zuckte zusammen. Sie beugte sich über seine Schulter.
»Wir gehen jetzt mal ganz ruhig zu unserem Auto, das du da drüben links stehen sehen kannst. Und dann erzählst du uns, wo wir hinmüssen, okay?«
Als sie beim Auto angekommen waren, übernahm Jonas die Pistole. Er schubste
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