Verleumdung
mit den Zeitungen neben sich auf dem Fußboden im Flur. Als er wieder normal atmen konnte, erhob er sich mühsam und wankte ins Wohnzimmer, wo er eine Flasche Oban Single Malt und ein Glas aus dem Schrank holte. Er schenkte sich mit zitternden Händen ein Glas ein und ließ sich in den Sessel fallen. Dann schlug er die erste Zeitung auf.
Einige Stunden später erwachte er voller Panik. Der Whisky rauschte noch immer durch seinen Körper. Doch anstatt ihn zu beruhigen, schien der Alkohol seine Nervosität nur noch mehr anzufachen. Und vor allem die Angst zu intensivieren. Plötzlich erkannte er klar und deutlich, in welch großer Gefahr sie sich befanden. Er musste unbedingt Lex erreichen, damit sie einen gemeinsamen Weg finden konnten, lebend aus dieser Sache herauszukommen. Am liebsten hätte er nichts getan, bevor er nicht mit ihr gesprochen hatte. Aber er hielt es nicht aus, zu Hause herumzusitzen und zu warten, bis er sie erreichte. Also beschloss er aufzuräumen und dabei so viele Spuren wie möglich zu beseitigen.
Er lud das Auto bis oben hin mit jenen Waren voll, an die er am leichtesten herankam. Versteckte sie unter einer Decke und fuhr Richtung Süden zum Sommerhaus. Es war kein dezidierter Plan, aber immerhin eine Handlung, und damit auch eine Möglichkeit, den wachsenden Drang zu bekämpfen, sich selbst bei der Polizei anzuzeigen. Doch gleichzeitig war ihm bewusst, dass er damit alles aufgab, wofür er so lange gearbeitet hatte. Ihre Chance auf einen gesellschaftlichen Aufstieg und auf Gerechtigkeit.
Jonas hatte die Freisprechanlage eingeschaltet, und nachdem er kurz hintereinander drei Nachrichten hinterlassen hatte, rang er sich durch, nur noch nach jedem Kilometer, den er zurückgelegt hatte, einmal anzurufen. Als er Lex endlich erreichte, hatte er gerade die Abfahrt nach Haslev passiert.
»Ich habe den ganzen Vormittag angerufen. Wo steckst du denn?«
»Jetzt beruhig dich doch erst mal. Bist du im Auto unterwegs? Dann ruf mich wieder an, sobald du irgendwo angehalten hast, okay?«
Sie legte sofort wieder auf, und Jonas suchte auf dem Navi verzweifelt nach Abfahrten oder Rastplätzen, doch ohne Erfolg. Also überquerte er etwas zu abrupt zwei Fahrbahnen und stellte sich mit eingeschalteter Warnblinkanlage auf den Standstreifen. Diesmal meldete sie sich sofort.
»Was ist denn bloß los? Ich habe dreizehn unbeantwortete Anrufe von dir. Dabei hatte ich doch nur eine Dreiviertelstunde lang den Ton aus.«
Die Worte sprudelten nur so aus ihm hervor. Die ganze Panik, die er nicht mit ihr hatte teilen können, weil sie unbedingt in Skandinavien unterwegs sein und ihre geschäftlichen Kontakte pflegen musste.
»Ich weiß, warum er mich treffen will. Er ist uns auf die Schliche gekommen. Und es wird nicht mehr lange dauern, bis die Polizei dasselbe tut. Firaz ist in der ganzen Stadt auf allen Titelseiten zu sehen. Ich bin gerade dabei aufzuräumen.«
»Warte mal, Jonas. Haben sie ihn etwa schon identifiziert? Bitte erzähl mir das Ganze noch mal der Reihe nach, in aller Ruhe. Ich habe hier noch keine dänischen Zeitungen gelesen.«
»Irgendwie haben sie es geschafft, sein Gesicht zu rekonstruieren.«
Jonas drehte den Zeitungsstapel um. Er hatte es nicht ausgehalten, mit Firaz’ anklagendem Gesicht neben sich Auto zu fahren. Er blätterte fieberhaft.
»Es sieht ihm zum Verwechseln ähnlich!«
Seine Stimme überschlug sich hysterisch, und Lex schwieg eine Weile.
»Lex, hier steht, dass nur noch ein Skelett von ihm übrig war. Aber jetzt wird nicht mehr viel Zeit vergehen, ehe ihn jemand erkennt. Und die Zeitung schreibt, dass man genug Spuren gefunden hat, um herauszubekommen, wer ihn umgebracht hat. Vielleicht kann uns die Polizei helfen … wir müssen irgendwas tun, wir müssen … Er hat rausgefunden, was passiert ist, und jetzt ist er gekommen, um mich umzubringen!«
Sie unterbrach ihn. Ihre Stimme klang hart.
»Jetzt redest du doch Unsinn, Jonas. Sie wissen von nichts, und du hörst jetzt auf mit deinem Gerede. Außerdem kann das ja gar nicht stimmen. Wenn die Bilder erst heute in der Zeitung waren, konnte er doch nicht schon etwas über Firaz wissen, als er dir die Mail geschickt hat.«
Er verstand nicht, wie sie das alles so gefasst aufnehmen konnte.
»Aber die Lage ist ernst, Lex. Natürlich hat er Kontakte zur Polizei. Er weiß all das, was sie nicht einmal den Zeitungen erzählt haben. Ich sage dir, er will mich umbringen.«
»Dann musst du doch einfach nur dafür sorgen, dass
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