Verleumdung
einem monotonen Geräusch einige Male vor und zurück. Jonas’ Hinterkopf kam direkt neben der kleinen Saftpfütze zum Liegen, aber in diesem Moment war ihm das bereits egal. Seine Sinne waren in äußerster Bereitschaft. Er bildete sich sogar ein, dass er spürte, wie seine Nerven unter der Haut zu zittern begannen, wenn Lex ihn berührte.
Er konnte ihren Blick nicht einfangen, da sie in eine andere Richtung sah. Aber diesmal kümmerte ihn das nicht, und er stöhnte laut, als er schließlich in ihr kam.
Jonas blieb liegen, nachdem Lex aufgestanden war und ihre Kleidung wieder in Ordnung gebracht hatte. Jonas hatte Lust, sie wieder zu sich auf den Boden zu ziehen, ihr Haar aus dem Pferdeschwanz zu zerren, es zu zerwühlen und sie zu zwingen, dort gemeinsam mit ihm liegen zu bleiben, bis sein Herz zu hämmern aufgehört hatte. Aber er konnte sich nicht rühren. Er hatte nicht einmal die Kraft, ihren Namen auszusprechen. Und Lex war ganz offensichtlich schon wieder auf dem Weg zum nächsten Punkt auf ihrer Liste.
Eine halbe Stunde später war sie aus der Tür verschwunden. Jonas hockte noch immer in der Küche und spürte ihren trockenen Kuss auf seiner Wange. Er hatte noch Zeit, bis er sich auf den Weg zur Refshaleinsel machen musste. Bis dahin hatte er nicht viel mehr zu tun, als sich den Plan einzuprägen und zu versuchen, sich auszuruhen. Er schaltete das Radio ein und versuchte so zu tun, als wäre dies ein ganz normaler Tag. Er summte die Melodie von Robyns »Dancing on my own« mit, während er die Spülmaschine einräumte. Er musste über die Albereien der Radiomoderatoren lächeln. Ihm gelang es, diese Illusion der Alltäglichkeit genau siebenundzwanzig Minuten lang zu bewahren. Dann kamen die Nachrichten: »Ein Polizeisprecher gab heute bekannt, dass man seit dem gestrigen Aufruf zahlreiche Hinweise aus der Öffentlichkeit erhalten habe. Die endgültige Identifikation des Toten vom Lammefjord steht demnach kurz bevor.«
24
E ine Stunde später näherte Peggy-Lee sich ihrem Ziel. In der Zwischenzeit hatte sie unterwegs auch eine kleinere Handfeuerwaffe eingesammelt. Die Pistole hatte unter dem doppelten Boden eines Abfalleimers in einer nahezu verlassenen U-Bahnstation gelegen. Jetzt, da sie komplett ausgerüstet war, fühlte sie sich ruhiger.
Das gehörte zu ihren Bedingungen, um einen Auftrag anzunehmen. Solange der Auftraggeber ihre Forderungen erfüllte und für Logis, Anreise und die Bereitstellung und Beseitigung des Werkzeugs sorgte, tauchte sie auf und erledigte ihren Job. Und sie konnte es sich in der Tat erlauben, Bedingungen zu stellen, denn ihre Dienste standen inzwischen auch bei den schwersten Jungs hoch im Kurs. Es war eine Erleichterung, sich nicht auch noch selbst um alle Einzelheiten kümmern zu müssen. Ein Flugticket von Kopenhagen nach Paris, Abflug 22.15 unter dem Namen Stacey Kim, war bereits auf ihrem iPhone zum Abruf bereit, und sie hatte aus dem Hotel ausgecheckt. Wenn der Auftrag ausgeführt war, würde sie die Waffen unweit des Ortes, wo das bestellte Taxi auf sie warten würde, in einem Park hinterlassen.
Sie lebte ein Leben mit wechselnden Identitäten und unter ständiger, minutiöser Planung. Das war nicht gerade das, was sie sich vorgestellt hatte, als sie sich mit siebzehn beim US Marine Corps gemeldet hatte. Damals war sie eine überzeugte Patriotin gewesen, die ungeduldig darauf gewartet hatte, ihrem Land dienen zu dürfen. Sie hatte sofort auf dem Schießplatz brilliert und war als eine der ersten Frauen für die Ausbildung zum Sniper auserwählt worden. Ihre erste Mission hatte sie 2001 in Afghanistan angetreten. Damals waren sie und die anderen vom Gedanken besessen gewesen, nach dem 11. September Rache zu üben. Es war ein tolles Gefühl, endlich handeln zu können, zurückzuschlagen, und sie konnte davon einfach nicht genug kriegen.
Peggy-Lee ging die Umgebung des alten Lagergebäudes ab, hielt nach blinden Winkeln Ausschau und schätzte per Augenmaß die Entfernungen ab. Jetzt konnte sie das wohlbekannte Gefühl des Adrenalins spüren, das durch ihren Körper pumpte. Es fühlte sich immer gleich an, egal für wen sie arbeitete. Nach ihren Erkundungen kletterte sie eine rostige Eisentreppe hoch. Das Dach des Gebäudes gegenüber dem Eingang zum Lagerraum war für ihren Zweck ideal. Fast schon zu perfekt, dachte Peggy-Lee, während sie ihre Waffen hervorholte.
Dann begab sie sich auf den rauen Beton in ihre Liegeposition und wartete.
*
Jonas hatte die
Weitere Kostenlose Bücher