Verleumdung
der anderen da. Lex hatte ihr alles in die Hand gedrückt und inspizierte bereits die Wohnung. Fast beiläufig streifte sie durch alle Räume, und Linnea konnte sich genau vorstellen, wie die Freundin alles bis ins kleinste Detail registrierte und abspeicherte. Erst stand sie an den Fenstern und sah auf die Knabrostræde hinunter, dann studierte sie den Erker und warf einen kritischen Blick ins Schlafzimmer. In einem der niedrigeren Zimmer zupfte sie ein wenig an der Tapete, um dann ganz ungeniert in einem anderen Raum in einer Umzugskiste zu wühlen.
»Tolle Location. Aus so einer alten Wohnung könnte man ja einiges machen. Ich meine, anstatt sie lediglich mit Umzugskartons zu dekorieren. Dieses Zimmer hier sähe perfekt aus, wenn man es ganz minimalistisch einrichtet, nur mit ein paar Panton-Stühlen. Und dann könnte man im Raum nebenan den totalen Kontrast schaffen, mit einem Empiresofa und Gemälden an der Wand.«
Sie wandte sich Linnea zu und lächelte aufmunternd. Das war typisch Lex. Linnea spürte, wie sehr sie die Freundin vermisst hatte. Garantiert würde Lex bei der ersten Gelegenheit über ihre Wohnung und die Tatsache lästern, dass Linnea aus Pappkartons lebte. Aber gleichzeitig war sie noch immer in der Lage, überall Potential zu erkennen, genau wie früher.
»Sag einfach Bescheid, wenn du richtig angekommen bist. Dann helfe ich dir bei den Details. Ich sehe das Ganze schon genau vor mir. Ganz dein Stil!«
Linnea nickte enthusiastisch und scheuchte Lex in die Küche, um nicht näher darauf eingehen zu müssen, wie viel Zeit sie gehabt hätte, um sich hier ordentlich einzurichten.
*
»Inzwischen sind ganze sieben Hundestaffeln auf dem Weg hierher, also würden Sie mir jetzt bitte endlich erklären, was wir genau tun sollen?«
Thor blickte den uniformierten Hundeführer an. Er rieb sich die Augen und musste sich eingestehen, dass ihm der Schlafmangel allmählich zusetzte. Es würde ein verdammt langer Sonntag werden. Er musste wenigstens irgendjemanden finden, der ihn zum Politigården zurückchauffierte, damit er eine Viertelstunde auf der Rückbank schlafen konnte.
Er geleitete den Hundeführer zu dem Toilettengebäude, von wo aus die Leiche inzwischen ins Rechtsmedizinische Institut gebracht worden war. Mittlerweile hatten auch die Techniker ihre letzten Arbeiten abgeschlossen. Die Sonne stand inzwischen hoch am Himmel und brannte auf den Tatort herunter, so dass einem der penetrante Gestank des geronnenen Bluts auf dem Betonboden sofort entgegenschlug.
»Wie Sie sehen, haben wir es hier mit einer ziemlich beträchtlichen Menge an Blut zu tun.«
Thor beobachtete den Hundeführer, der instinktiv einen Schritt zurückgetreten war.
»Ich gehe davon aus, dass es sich hierbei nicht nur um das Blut des Opfers, sondern auch um das seines Mörders handelt. Es hat einen Kampf gegeben, und der Mörder muss viel Blut verloren haben.«
»So viel Blut, dass er gezwungen ist, sich noch irgendwo hier in der Nähe aufzuhalten?«
»Tja, es ist zwar nur eine winzig kleine Chance, aber dennoch. Der Rechtsmediziner sagt, der Tod sei vor mindestens vierundzwanzig Stunden eingetreten. Eigentlich müsste der Täter längst geflüchtet sein. Aber bei einem solchen Blutverlust würde ich schätzen, dass er noch immer irgendwo liegt und sich versteckt, wenn er nicht längst selber tot ist. Und um das herauszufinden, brauche ich Ihre Hilfe.«
Der Hundeführer sah sich um und nickte.
»Momentan haben wir nur Gruppe-2-Hunde hier. Die können wir nicht einfach auf gut Glück losschicken. Wie Sie wissen, können die Polizeihunde zwar die Fährte eines Menschen aufnehmen, aber nicht die eines bestimmten Menschen. Aber wenn Sie uns mögliche Verstecke zeigen, können wir die Hunde dorthin schicken. Und in einer knappen Stunde kommen dann die Gruppe-1-Hunde an. Das sind die besten, die wir haben. Sie können sowohl Blut- als auch Spermaspuren erschnüffeln.«
Sie verließen das Toilettengebäude wieder und holten beide tief Luft. Dann sah der Hundeführer Thor an.
»Wenn sich der Mörder hier in der Nähe versteckt, werden wir ihn ganz sicher finden.«
29
L innea war es gelungen, mit den von Lex beigesteuerten Sachen einen halbwegs akzeptablen Brunch auf die Beine zu stellen. Wider Erwarten hatte sie dafür noch nicht mal in den 7-Eleven am Højbro Plads springen müssen, in dem sie mittlerweile fast regelmäßig ihre Grundnahrungsmittel einkaufte.
Sie schwelgten in gemeinsamen Erinnerungen aus dem Café
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