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Verleumdung

Verleumdung

Titel: Verleumdung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Vad Bruun , Benni Boedker
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Mitteljütland zogen. Sie war nicht streng politisch gewesen, eher eine richtige Flower-Power-WG, in der zu viel Tolkien gelesen und zu viel Hasch geraucht wurde. Das war auch die Erklärung dafür, dass er mit seinem zweiten Namen nach dem Mond benannt war. M stand für Måne. Soweit er sich erinnerte, hatten seine Eltern sich nie besonders viel um ihn gekümmert. Aber in der Kommune gab es stets andere Erwachsene, die für sie einsprangen. Abgesehen von einem Tag, wo seine Eltern hätten da sein sollen, jedoch versagt hatten, weil sich ihre Selbstverwirklichung längst in Pillen und Bier aufgelöst hatte. Er hatte das Chaos jener revolutionären Jahre im Guten wie im Schlechten erlebt.
    Thor warf einen Blick in Richtung des Rechtsmediziners, der immer noch nicht gegangen war, als wolle er sich vergewissern, ob dieser seiner Deutung zustimmen konnte. Der Rechtsmediziner nickte und rief ihnen im Weggehen zu: »Wenn ihr mich fragt, sieht das wie eine eiskalte Hinrichtung aus.«

Sonntag, 11. Juli

28
     
    L innea kniete gerade auf dem Boden und wollte ihre Sandalen zubinden, als sie von dem penetranten Brummen der Türklingel aufgeschreckt wurde. Dabei rutschte ihr die Sonnenbrille aus dem Haar und fiel zu Boden. Am Vortag hatte sie sich spontan ein Paar Acne-Sandalen gekauft, bevor sie zum Rechtsmedizinischen Institut gegangen war. Sie war die Strøget entlangspaziert und hatte sich sofort in die Schuhe im Schaufenster verliebt. Erst jetzt wurde ihr bewusst, dass ihr eigentlich die Geduld fehlte für ein Schuhwerk, das wie Legionärssandalen über dem Fuß geschnürt und über dem Knöchel zusammengebunden werden musste. Sie sahen irrsinnig gut aus, eigneten sich aber kaum dafür, schnell mal den Fuß hineinzustecken und zur Tür hinauszurennen.
    Die Klingel brummte erneut, und sie hob ihre Sonnenbrille auf und humpelte mit nur einer Sandale am Fuß zur Tür.
    »Ich bin gleich unten«, sagte sie in die Gegensprechanlage.
    »Bleib, wo du bist, ich habe Brötchen mitgebracht!«
    Verwirrt drückte Linnea auf den Türöffner und ging dann ins Schlafzimmer zurück. Diesmal gelang es ihr ohne größere Probleme, auch die andere Sandale zu binden. Anschließend warf sie einen prüfenden Blick in den Spiegel. Die Verkäuferin hatte gesagt, die Sandalen seien perfekt für einen »romantischen und gleichzeitig legeren Look«, wenn man sie mit einem leichten Sommerkleid kombinierte. Linnea musste zugeben, dass die aufwendige Prozedur ihre Mühe wert gewesen war. Ein bisschen merkwürdig kam es ihr schon vor, sich derart schick zu machen, aber sie war tatsächlich genauso aufgeregt wie vor einem Date. Gestern Abend war sie völlig unerwartet von einer alten Freundin angerufen worden.
    »Guess who!«, hatte die wohlbekannte heisere Stimme gerufen. »Wird es nicht langsam Zeit, dass wir beide uns endlich wiedersehen? Es ist viel zu lange her, und du kannst ja wohl kaum noch mehr zu tun haben als früher?«
    »Alexandra? Wie geht’s dir? Wie schön, von dir zu hören!«
    »Wollen wir uns nicht spontan gleich morgen zum Brunch treffen? Das wäre doch viel einfacher.«
    Alexandra hatte energisch und bestimmt geklungen, genau wie in alten Tagen. Ihre Art und Weise, für sie beide Entscheidungen zu treffen, hatte sich ebenfalls nicht verändert. Im Gymnasium und in der Zeit kurz nach dem Abitur waren sie die besten Freundinnen gewesen, hatten sich jedoch aus den Augen verloren, als Linnea in die USA ging. Eigentlich war sie die Einzige, die Linnea aus ihrer früheren Zeit in Dänemark wirklich vermisst hatte. Als sie wieder zurückgekehrt war, hatten sie den Kontakt über Facebook wiederbelebt und während des letzten Jahres hin und wieder einen Kommentar zum Profil der anderen geschrieben oder kurze Nachrichten ausgetauscht. Linnea hatte immer darauf gehofft, dass sie sich einmal treffen würden und alles wieder so wäre wie früher. Aber es war, als kämen sie nicht über die anfängliche Höflichkeit hinaus und schöben ein Wiedersehen vor sich her.
    Und jetzt kam Lex in ihre Wohnung gewirbelt, als hätten sie sich kürzlich erst gesehen.
    »Wie phantastisch du es hier hast!«, rief sie aus. »Ich habe unterwegs in Hellerup angehalten. Auf dem Strandvejen gibt es ja einen ganz guten Emmerys.«
    Eigentlich hatte Linnea die Verabredung so verstanden, dass Alexandra sie abholte und sie dann in einem Café in der Nähe essen würden, aber jetzt stand sie mit Brötchen in der einen Hand und einer Tüte Fair-Trade-Kaffee und Smoothies in

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