Verleumdung
arbeiteten. Das System funktionierte perfekt. Kevin Love erzielte einen enormen Gewinn, war tatsächlich aber nur wenig eingebunden und daher schwer für irgendetwas zur Verantwortung zu ziehen. Dass der Iraker sein Geschäft nach Dänemark verlagerte, war seine Sache. Doch als Neergaard mitteilte, dass er das Geschäft des Irakers übernommen hatte und weiterführte, hätte Kevin Love reagieren müssen.
Als er seinen Gedankengang beendet hatte, wandte er sich an die Frau neben sich.
»Was haben Sie sich eigentlich vorgestellt?«
Eigentlich war das alles furchtbar banal, dachte Kevin Love und stand auf, nachdem die Diskussion überstanden war. Letztendlich ging es immer nur um Geld. Und ein Problem, das sich mit Geld zunächst nicht lösen ließ, war mit einer größeren Summe irgendwann doch aus der Welt geschafft.
»Eins müssen Sie noch bedenken.«
Alexandra Neergaard erhob sich schnell und legte ihm eine Hand auf den Arm.
»Wir haben all das zusammen angestoßen. Ich weiß über alles Bescheid, was vor sich gegangen ist. Es müsste also auch in Ihrem Interesse sein, wenn ich zufrieden bin?«
Kevin Love nickte ihr zu. Kaum zu glauben, aber er war sich sicher, dass sie ihm drohen und ihn verführen wollte. Sie hatte ihn tatsächlich beeindruckt. Er ließ sich von ihr aus dem Garten geleiten, bemüht darum, sich seine Enttäuschung nicht anmerken zu lassen. Vielleicht war sie ihm nicht besonders unähnlich, vielleicht war das alles nur Teil des Spiels gewesen. Aber plötzlich erinnerte ihn diese Situation sehr an seinen eigenen Vater, der im Grunde genommen dieselben windigen Geschäfte gemacht hatte wie er. Allerdings von seinem Ecktisch in der Oxford Bar aus. Ob es darum ging, Hehlerware zu verkaufen und den Handel über ein paar abgestandenen Bierresten abzuschließen oder an den Brennpunkten der Welt internationalen Schmuggel und Waffenhandel zu betreiben, machte eigentlich keinen großen Unterschied. In beiden Fällen hing alles von der Erkenntnis ab, dass derjenige, der die Menschen am besten einschüchterte, in dieser Welt alles erreichen konnte, und dass man sich anderen Menschen gegenüber alles erlauben konnte, um sein eigenes Ziel zu erreichen.
Er spielte erneut mit der Garrotte in seiner Tasche, mehr denn je versucht, das Ganze hier und jetzt abzuschließen. Sie die Schnur um den Hals spüren zu lassen und zuzuziehen. Diese Frau war nicht nur anspruchsvoll, sondern auch gefährlich. Als er die Einfahrt erreicht hatte, drehte er sich ein letztes Mal um.
»Sie hören von mir.«
Am Wagen angekommen, suchte er in seinem Handy sofort nach seinem dänischen Kontakt. Er war nicht sonderlich glücklich darüber, die Aufgabe von einem Ortsansässigen übernehmen zu lassen, denn das Risiko war trotz allem größer. Aber allem Anschein nach war seine beauftragte Expertin vorübergehend außer Gefecht gesetzt, und die Angelegenheit musste schnellstmöglich über die Bühne gebracht werden.
Dienstag, 13. Juli
42
D as Institut für Militärpsychologie gehörte zur Akademie der dänischen Streitkräfte und befand sich auf der Ryvangs Allé zwischen den Stadtteilen Østerbro und Hellerup. Thor hatte zunächst vorgehabt, dorthin zu fahren. Dann hatte er es sich aber doch anders überlegt und im Institut angerufen. Er war zu verschiedenen Nebenstellen weiterverbunden worden, bis er schließlich eine distanzierte Psychologin in der Leitung hatte.
»Ich darf mich nicht im Einzelnen zu den Fällen äußern«, erklärte Irene Martinez sofort. »Aber ich kann Ihnen gern allgemein etwas über unsere Arbeit erzählen, falls Ihnen das hilft. Ich vermute, Sie meinen eine posttraumatische Belastungsstörung?«
Eigentlich zweifelte Thor daran, dass Uffe Overbye tatsächlich der Mörder war.
Auf der morgendlichen Konferenz mit der gesamten Abteilung mit Ausnahme von Tage Ewald, der gerade im Kriminaltechnischen Center im Slotsherrevej war, hatte man Overbye nahezu einstimmig zum Hauptverdächtigen erkoren. Und Thor war es schwergefallen, dagegenzuargumentieren, dass das verdächtige Verhalten und seine Verbindung zu dem Getöteten ihn in den Fokus rückten.
»Was unternehmen Sie, wenn Soldaten aus dem Irak oder aus Afghanistan zurückkehren und das Erlebte nicht verarbeiten können? Also wenn sie durchdrehen, oder wie auch immer Sie das nennen mögen?«
Er konnte förmlich sehen, wie sie die Nase über seine Wortwahl rümpfte, und ertappte sich dabei, dass es ihn insgeheim freute.
»Wir haben unterschiedliche
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